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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht
Autoren: Stefan Holtkoetter
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war.«
    Hambrock beugte sich vor.
    »Was denkst du, was in der Nacht passiert ist, Roland? Wer war noch am Bahnhof?«
    »Ich weiß es nicht.« Er blickte Hambrock zögernd an. Natürlich hatte er einen Verdacht, doch den wollte er nicht laut aussprechen.
    »Was es jemand aus deiner Familie?«
    Schweigen. Roland senkte den Blick.
    »Vielleicht Nicole?«, warf Keller ein.
    Roland schüttelte den Kopf. »Ich würde ihr das sofort zutrauen. Aber sie hätte Marius wohl eher vergiftet. Wenn nicht mit Worten, dann mit Arsen.«
    Hambrock fasste ihn an den Schultern. »Sag uns, was du denkst? Wer hat deiner Meinung nach Marius getötet?«
    »Was ich denke? Das war mein Vater, um sich zu rächen. Das denke ich.« Nun hob er den Kopf und blickte Hambrock mit eisblauen Augen an. »Und Nils hat es gesehen.«
    »Das sind schwere Anschuldigungen.«
    »Ich traue meinem Vater alles zu. Wissen Sie, als sein Sohn hat man zu tun, was er sagt. Und wehe, man weigert sich. Marius hatte doch vor, die Firma fallen zu lassen. Etwas Schlimmeres gibt es für meinen Vater nicht. Und ob ich mir vorstellen kann, dass er Marius dafür bestraft hat!«
    Nachdem Roland gegangen war, blieben Hambrock und Keller allein im Büro zurück.
    »Was meinst du?«, fragte Keller. »Wollte der uns verarschen? Das war der doch selber, der seinen Bruder am Bahnhof getötet hat, oder? Ein Motiv hat er jedenfalls, auch wenn er jetzt auf weinerlich macht.«
    »Ich weiß auch nicht, schon möglich. Aber in einem stimme ich mit Roland überein. Wir müssen mit Nils sprechen.«
    Sie machten sich also daran, nach dem Jungen zu suchen. Die Familie Baar musste einräumen, dass Nils seit dem Vortag verschwunden war. In der Schule war er nicht aufgetaucht, und auch bei seinen Freunden fand sich keine Spur von ihm.
    Erst am späten Nachmittag meldete sich Mechtild Bruns vom Gertenbecker Jugendzentrum, um Hambrock zu sagen, der Junge sei wieder aufgetaucht. Sie hatte keine Ahnung, wo er in der vergangenen Nacht gewesen war, doch jetzt saß er offenbar mit ein paar anderen Jungs im Computerraum.
    Hambrock wollte sich gleich auf den Weg machen, doch Mechtild Bruns meinte: »Ich habe natürlich auch die Eltern verständigt. Die sind jeden Moment hier und holen ihn ab. Wenn du mit dem Jungen sprechen möchtest, dann fährst du am besten direkt zu den Baars.«
    »Also gut. Dank dir für den Anruf, Mechtild.«
    Er beendete das Gespräch und blickte zu Keller auf, der ihn erwartungsvoll ansah.
    »Nils ist wieder in der Familienvilla«, erklärte Hambrock.
    »Also los. Dann werden wir denen mal einen Besuch abstatten«, meinte Keller. »Wenigstens haben wir sie dann alle auf einem Haufen. Die ganze Bagage.« Er kratzte sich am Kinn. »Ob Nils mit uns sprechen wird, wenn seine Eltern dabei sind? Oder Roland? Vielleicht wagen sie es nicht, in deren Gegenwart etwas zu sagen. Aber egal. Versuchen können wir es ja. Außerdem bin ich mehr und mehr überzeugt, dass es ein Familienmitglied war, das Marius ermordet hat. Mal sehen, was passiert, wenn wir sie damit konfrontieren.«
    Erst jetzt bemerkte er, dass Hambrock seinem Monolog gar nicht gefolgt war. »Hörst du mir gar nicht zu?«
    Hambrock blickte auf. »Oh, Entschuldigung. Ich habe noch mal über Roland nachgedacht. Über das, was er uns gesagt hat.«
    »Und? Was denkst du darüber?«
    »Ich glaube, ich weiß langsam, was passiert ist.«
    Keller runzelte die Stirn. »Ach ja? Dann lass mal hören.«
    Hambrock stand auf und nahm seinen Mantel.
    »Komm, fahren wir nach Gertenbeck«, meinte er. »Ich erzähl’s dir unterwegs.«
    Eine halbe Stunde später stand Hambrock wieder vor der weiß getünchten Villa der Baars. Er drückte die Klingel, und ein tiefer Gong ertönte im Innern. Brigitte Baar erschien in der Tür und betrachtete Hambrock mit offenkundigem Missfallen.
    Er wollte ihr gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Mit einem verbindlichen Lächeln sagte er: »Danke, dass Sie sich telefonisch bereiterklärt haben, noch mal mit mir zu reden. Es wird auch nicht lange dauern, versprochen.«
    »Mein Mann ist aber nicht sehr erfreut darüber«, stellte sie fest.
    »Aber er ist doch anwesend, oder?«
    »Ja, das ist er. Trotzdem.«
    »Wie gesagt, es wird nicht lange dauern. Dürfte ich…?«, fragte er und deutete auf die Tür.
    Sie trat einen Schritt zurück und ließ ihn ins Haus. In der Eingangshalle herrschte Stille, ganz so, als wäre die Villa in einen Dornröschenschlaf gefallen. Kaum zu glauben, dachte er, dass die gesamte
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