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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Stimme der Hausherrin zu hören.
    »Nils! Jetzt mach endlich auf! Ich warne dich!«
    Klaus Baar trat entschlossen hinaus. Die anderen folgten ihm, einschließlich Hambrock. Sie traten in die Halle und blickten die Treppe hinauf. Brigitte Baar erschien an der Balustrade.
    »Er hat sich eingesperrt«, sagte sie.
    »Nils!«, rief Klaus Baar. »Komm sofort runter!«
    Nichts passierte. Roland und Nicole wechselten unsichere Blicke. Klaus Baar stürmte nun die Treppe hinauf, wütend wie ein Stier in der Arena. Seine Kinder hielten den Atem an. Es war ganz offensichtlich nicht üblich, dem Patriarch die Stirn zu bieten. Nils konnte sich auf was gefasst machen.
    Klaus Baar verschwand in dem Flur, der zu den Kinderzimmern führte. Hambrock hörte, wie er abwechselnd eine Türklinke malträtierte und dann gegen das Türblatt schlug.
    »Nils, verdammt! Wirst du wohl die Tür aufschließen!«
    Der Rest der Familie folgte ihm lautlos nach oben. Auch Hambrock schloss sich dem Tross an. Vor Nils’ Zimmertür blieben sie stehen. Aus dem Innern war nichts zu hören.
    »Nils!«, rief Klaus Baar. »Ich warne dich ein letztes Mal!«
    Keine Reaktion. Klaus Baar schob seine Frau zur Seite und trat ein paar Schritte zurück. Dann trat er mit aller Kraft gegen die Tür. Er wirkte wie ein gealterter Schaukämpfer, der es noch einmal wissen will. Holz splitterte, doch die Tür hielt stand. Brigitte Baar schrie auf. Doch der Patriarch ließ sich nicht davon beeindrucken. Wild entschlossen nahm er wieder Anlauf. Und trat nochmals zu, mit Mord in den Augen. Es gab einen lauten Knall, und dann sprang die Tür auf.
    Klaus Baar betrat den Raum. Die anderen versuchten, einen Blick in das Kinderzimmer zu erhaschen. Doch von Nils keine Spur. Hambrock reichte ein Blick auf das Fenster, das einen Spalt weit offen stand.
    Der Patriarch tauchte wieder im Flur auf.
    »Er ist verschwunden«, sagte er. »Na warte, der kann was erleben, wenn er wiederkommt.«
    Dann fiel sein Blick auf Hambrock. »Es tut mir leid, was hier passiert. Sie bekommen einen völlig falschen Eindruck von unserer Familie. Glauben Sie mir, ich werde Nils zur Rechenschaft ziehen. Er wird sich kein zweites Mal so verhalten.«
    Er kämpfte sichtbar gegen seine innere Erregung. Atmete zweimal durch und strich sich die Haare glatt. Dann ging er an seiner Familie vorbei zur Treppe.
    »Gehen wir zurück ins Esszimmer«, sagte er. »Der Kommissar möchte uns ein paar Fragen stellen.«
    Der Tross setzte sich in Bewegung und ging über die Treppe nach unten. Da ertönte der tiefe Gong in der Halle. Jemand war an der Tür. Hambrock sah, wie Brigitte Baar zur Tür ging.
    Draußen stand Henrik Keller, der Nils am Kragen hielt. Er hatte sich im Garten unter dem Fenster in den Büschen versteckt, um Nils aufzugreifen, falls der wieder versuchen würde zu fliehen. Das hatten sie im Wagen vereinbart.
    »Guten Tag«, sagte er und stieß Nils in die Halle. »Ich glaube, Sie haben jemanden verloren.«
    Klaus Baar sah verwundert von Keller zu Hambrock, dann packte er seinen Sohn an den Schultern.
    »Was fällt dir nur ein! Du hast doch deine Mutter gehört! Wie kannst du da einfach abhauen?«
    Nils antwortete nicht. Er befreite sich aus dem Griff seines Vaters, trat einen Schritt zurück und sah stur zu Boden.
    Klaus Baar schien verunsichert zu sein. »Nils, ich erwarte eine Antwort.«
    Es wurde still in der Halle. Keiner sagte etwas.
    »Willst du deinem Vater nicht sagen, weshalb du durchs Fenster geflohen bist?«, fragte Hambrock. »Oder weshalb du mit uns nicht über die Tatnacht sprechen willst?«
    Er antwortete nicht. Stattdessen senkte er den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten.
    Klaus Baar starrte seinen Sohn an. »Nils!«
    »Was ist?«, fuhr Hambrock fort. »Willst du es ihnen nicht sagen? Weshalb du Marius getötet hast?«
    Erschrockene Stille. Klaus Baar blieb der Mund offen stehen. Alle warteten, alle starrten Nils an.
    Der hob langsam den Blick und betrachtete seine Familie voller Abscheu. Dann drehte er sich zu Keller, der immer noch hinter ihm in der offenen Tür stand. Seine Stimme klang erwachsen und abgeklärt, als er sagte: »Nehmen Sie mich mit. Ich bin bereit.«

30
    In der Bahnhofskneipe, ein enges und schummrig beleuchtetes Lokal, war das Rauchen erlaubt. Eine Handvoll alter und kettenrauchender Männer hockte um den Tresen, blies Rauchwolken in die Luft und diskutierte über die Spiele der Bundesliga. Mittendrin der Wirt, der Gläser polierte und von Zeit zu Zeit einen Kommentar
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