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Land der guten Hoffnung

Land der guten Hoffnung

Titel: Land der guten Hoffnung
Autoren: Unbekannter Autor
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ein Disput zwischen Bertrand und Rena zu vernehmen.
    „Na, doch noch Hunger bekommen?“
    Ich drehte mich um. Gormann ruhte angetrunken in einem Liegestuhl und prostete mir mit einer Bierflasche zu. Neben ihm stand ein halb geleerter Kasten.
    „Bier ist hier.“ Er deutete auf die noch geschlossenen Kronkorken. „Krokodil ist leider schon lange alle!“
    „Darauf war ich auch nicht besonders scharf.“
    „Wir haben den Jungs ein paar Würstchen spendiert. Die geben Ihnen sicher eins ab. Brot ist auch noch jede Menge da. Und Käse.“ Er deutete zu einem Servierwagen auf dem auch Gläser, Teller, Besteck und Servietten lagen. „Und Reissalat! Alles in Selbstbedienung. Das Personal ist schon nach Hause ins Dorf.“
    Ich nahm mir vom Salat, und noch während ich meinen Teller füllte, kam der Buschmann hinzu und hielt mir mit der Grillzange eine heiße Wurst entgegen.
    „Boerewors...?“
    Ich bedankte mich, und er lud die Wurst auf meinen Teller und trollte sich wieder zum Grill. Gormann hatte sich in seinem Liegestuhl ins Sitzen hochgerappelt und öffnete eine Flasche Castle für mich. Ich nahm mir einen Badehocker und setzte mich zu ihm. Er reichte mir die Flasche, und ich prostete ihm zum Dank zu und nahm einen Schluck. Der Salat war scharf und köstlich. Und auch die fette Burenwurst, die mir auf der Farm noch so schwer im Magen gelegen hatte, schmeckte mir diesmal vorzüglich. Vielleicht lag es auch nur am Heißhunger.
    „Der Wagner hört sich etwas zäh an“, merkte ich an.
    „Glenn Gould“, gab Gormann zurück. „Der Meister hat es gerne etwas langsamer.“
    „Ich denke, der spielt Klavier.“
    „Sein Debüt als Dirigent. Es ist die allerletzte Aufnahme von ihm. Sie wurde drei Wochen vor seinem Schlaganfall aufgenommen. Er hat das Stück allerdings auch fürs Piano umgeschrieben und solo gespielt.“
    Bei den ersten Worten hatte Gormann noch angetrunken gewirkt, doch nun gewann ich den Eindruck, er sei völlig nüchtern.
    „Es ist wundervoll zart. Gould soll gesagt haben, er wolle bei seiner Art der Interpretation mehr Idyll als Siegfried hören.“ Die Musik klang aus, und Gormann lauschte ihr eine Weile nach - bis die Stille durch das Streitgespräch zwischen Bertrand und Rena zerstört wurde, das aus dem Haus zu uns herübertönte. Man konnte nicht genau verstehen, worum es ging, aber der Dialog hörte sich giftig an. Mittlerweile war auch das Paar hinter der Verglasung zu erkennen. Es brüllte sich an und gestikulierte dabei heftig. Das nächste WagnerThema erklang und übertönte den hitzigen Wortwechsel gnädig. Diesmal handelte es sich unzweifelhaft um ein Pianosolo.
    „Das ist eine von Goulds Transkriptionen“, sagte Gormann. „Die Meistersinger von Nürnberg, Vorspiel zum Ersten Aufzug. Er hatte vor, das Klavierspielen ganz aufzugeben, und nur noch zu dirigieren.“
    Ich drehte dem Paar den Rücken zu. „Der Haussegen scheint ja mächtig schief zu hängen.“
    „Das geht schon den ganzen Abend so, und es wird immer schlimmer.“ Gormann trank und wischte sich Mund und Bart ab. „Wenn man nicht so genau hinhört, könnte man es für eine Aufführung von Wer hat Angst vor Virginia Woof...?halten.
    Aber die wenigen Dialogfetzen, die ich bislang verstanden habe, hatten beileibe nicht das Niveau des Theaterstücks.“
    „Sie sollten den Auftritt trotzdem noch als vierten Teil an Ihre Dokumentation hängen.“
    „Machen Sie bitte keine Witze.“
    „Wie war die Arbeit am Drehbuch?“
    Gormanns Antwort beschränkte sich auf ein gequältes Aufstöhnen. Er hielt mir seine Bierflasche hin, und wir stießen heftig an, bevor wir einen Schluck nahmen und der Musik lauschten, die für den Moment nicht durch rüden Streit gestört wurde.
    Noch bevor ich die Flasche zum zweiten Mal abgesetzt hatte, hörte ich hinter mir einen dumpfen Schlag und das Splittern von Glas.
    Gormann sah es kommen und duckte sich im Liegestuhl zusammen, bevor das Wurfgeschoss im Pool aufklatschte. Eine silberne Wassersäule stieg auf, sackte wieder in sich zusammen und schickte kreisförmige Wellen aus, die gegen den Beckenrand schwappten. Was auch immer im Pool eingeschlagen sein mochte - es sank schnell.
    Die Männer am Grill schauten alarmiert zum Haus hinüber. Ich verlagerte das Gewicht auf meinem wackeligen Hocker, drehte mich um und konnte Rena hinter den Resten der zerborstenen Scheibe erkennen. Sie stürzte aus dem Haus und stürmte zur Brüstung der Veranda. Dort blieb sie mit dem Rücken zu uns stehen und
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