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Land der guten Hoffnung

Land der guten Hoffnung

Titel: Land der guten Hoffnung
Autoren: Unbekannter Autor
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antrieb? Nahm er alles bewusst in Kauf?
    Bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen konnte, rappelte sich Gormann hoch, nahm sich noch eine Flasche Bier und sah mich an. „Mir reicht es! Ich lege mich in die Koje. Kommen Sie mit?“
    „Gar keine schlechte Idee.“
    Bedächtig schwankte er davon.
    Ich folgte ihm. Doch kaum hatte ich ein paar Schritte gemacht, hörte ich Renas Stimme.
    „Helm.?“
    Zögernd drehte ich mich um. Doch noch bevor ich von Rena mehr erfuhr, ließ sich Bertrand vernehmen.
    „Klang das für Sie auch nach einem Hilferuf?“ Er grinste selbstzufrieden. „Ich fürchte, Sie sind noch nicht entlassen.“
Kapitel 44
    Der Täter und sein Opfer - so hieß das Stück, das Bertrand inszenierte.
    Ein Opfer, das ihn gesucht hatte, beharrlich, und stets in der Hoffnung, ihn zu finden - und das damit erfolgreich gewesen war und sich erneut in seine Hände begeben hatte. Kein Mensch hatte Rena dazu gezwungen. Offenen Auges war sie in die jetzige Situation geraten. Sie hatte ihren Mann gefunden und dabei herausgefunden: Er war nicht das, was sie gesucht hatte. Jetzt saß sie in der Falle.
    „Soll ich dir die Symptome erklären?“ lockte Bertrand.
    Abrupt drehte Rena sich um und fauchte ihn an: „Du bist der letzte Mensch, der mir helfen kann!“
    Bertrand suchte Augenkontakt mit mir - als könne ich ihm erklären, wie es zu einem derart vernichtenden Urteil über seine Person kommen konnte. Dann schüttelte er den Kopf, setzte die Bierflasche an die Lippen, merkte, dass sie leer war und schleuderte sie achtlos in den Pool.
    Die Flasche klatschte auf und dümpelte behäbig auf dem Wasser. Die Meistersinger von Nürnberg klang aus, und Glenn Gould nahm sich die Götterdämmerung vor. Tagesgrauen und Siegfrieds Rheinfahrt. Piano solo. Noch war es mondhelle Nacht, und der Ozean war auch kein Fluss - und trotzdem hoffte ich, die ersten behäbigen Takte würden genau das richtige Beruhigungsmittel sein, um die Lage zu entspannen. Doch nur wenig später perlte die Musik energischer und lauter aus den Lautsprechern, und die Anschläge wurden härter.
    „Ist hier überhaupt irgendjemandem klar, was mir damals in Hamburg gelungen ist.?“
    Bertrand warf den Kopf in den Nacken und versicherte sich des Vollmonds als Zeugen.
    „In Deutschland werden acht von zehn Entführungen aufgeklärt, und eure Behörden haben - wie mir im Laufe der Sache klar wurde - die aberwitzigsten Bezeichnungen dafür erfunden. Gewinnsüchtiger Menschenraub oder erpresserischer Menschenraub. Zugegeben: Ihr seid recht erfolgreich bei der Aufklärung der Fälle. Das muss man euch Deutschen lassen.“ Er beäugte erst mich, dann Rena, als seien wir nichts weiter als Feldmäuse, die meilenweit unter ihm in seinem Schatten verharrten.
    „Und doch gehöre ich, Marius Bertrand, zu den zwei Personen unter zehn, die damit durchgekommen sind. Du kannst dich also beruhigt an mich lehnen, Rena. Sie werden mich auch diesmal nicht bekommen. Die Deutschen haben es nicht geschafft, und meine südafrikanischen Landsleute werden es auch nicht schaffen.“
    Sie wich seinem Blick aus. „Du bist ja größenwahnsinnig!“ „Blödsinn! Ich bin nur Zeit meines Lebens bereit gewesen, ein extrem hohes Risiko einzugehen.“ Bertrand kam zu mir und setzte sich in den Liegestuhl, den Gormann frei gemacht hatte.
    Auf ihre Art hatten beide Recht. Geiselnehmer neigen zur Selbstüberschätzung und zu Allmachtgefühlen. Anders ist die Größe der Aufgabe gar nicht zu bewältigen. Das Risiko ist enorm hoch, aber die Beute, die winkt, ist es ebenso. Selbstüberschätzung und Gewinnerwartung. Das waren die Schlüssel zur Psyche eines Marius Bertrand. Nicht viele Verbrecher trauen sich so etwas zu. Deshalb sind Lösegelderpressungen im Vergleich zu anderen Kapitalverbrechen auch relativ selten.
    Was Bertrand in seinem Omnipotenzwahn allerdings übersah: Hier in Afrika ging es um etwas ganz anderes. Die Grausamkeiten, die hier auf seine Rechnung gingen, waren heimlich geschehen, in der Absicht, kein Mensch solle jemals davon erfahren. Was er hingegen Jahre später in Hamburg praktiziert hatte, war das genaue Gegenteil davon. Er war von Beginn an in die Offensive gegangen, hatte sein Verbrechen sofort bekannt gemacht. Das war auch zwingend nötig gewesen, denn er musste Kontakt zu Renas Vater herstellen -zur Geldquelle. Damit war von vorne herein klar: Es würde unweigerlich zur Konfrontation mit seinem gefährlichsten Gegner, der Polizei, kommen - direkt oder
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