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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Kluftinger »unbedingt« eine Sprechrolle spielen müsse und »leider unabkömmlich« sei und deswegen auch nicht bei der Musik mitmachen könne.
    Kluftinger grinste bei dem Gedanken an ihr Arrangement.
    »Die rote Sonne von Barbados, für dich und mich scheint sie immer noch …« Heinrich Franks Bewegung gefror. Er stand unmittelbar vor dem Aufgang zur Tribüne, als er sich mit zu Schlitzen verengten Augen umdrehte und dabei einen Buckel machte wie eine zum Sprung bereite Raubkatze.
    »… nur du und ich im Palmenhain, leise Musik und roter Wein …«
    Alle Köpfe drehten sich zu Kluftinger. Dessen Wangen begannen wie vorhin zu leuchten. Leugnen hätte jetzt keinen Sinn mehr gehabt.
    »Ach je, das bin ja ich«, rief er und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Dann fummelte er das Handy aus dem Lederbeutel, den er aus Ermangelung einer Hosentasche an dem breiten Gürtel seines Fischerkostüms befestigt hatte. »Eine neue Melodie. Die hat mir mein Sohn eingestellt. Ich hab mich noch gar nicht dran gewöhnt …« Mit diesen Worten führte er den Hörer an sein Ohr.
    Diese Geste schien der letzte Impuls für Franks Raubkatzen-Reflex zu sein. Mit gefletschten Zähnen rannte er auf den Kommissar zu.
    »Ja, Kluftinger?«, fragte der gerade in den Hörer.
    »Ich bin’s, der Richard, ich muss …«
    »Sie wollen doch nicht im Ernst während meiner Probe telefonieren?« Die Stimme des Regisseurs klang aggressiv und kampfbereit.
    »Wie? Wer? Ich meine … Entschuldigung, das hier ist wichtig.« Mit diesem Satz nahm der Kommissar dem Regisseur für einen Moment den Wind aus den Segeln, und Frank blieb um Haltung ringend stehen. So verstand Kluftinger wenigstens, dass sein Kollege Maier am anderen Ende der Leitung war. Er schien ebenso aufgeregt wie Heinrich Frank, denn auch seine Stimme überschlug sich fast.
    »Jetzt beruhig dich erst mal, atme tief durch und dann ganz langsam.«
    Entsetzt ruckten die Köpfe der anderen herum und starrten den Kommissar an. Der wusste erst nicht, was die plötzliche Aufmerksamkeit zu bedeuten hatte, verstand es aber, als die Lautsprecher ein gellendes »Ich mich beruhigen? Ich bin ruhig!« in die Naturkulisse schleuderten.
    »Wie? Nein, ich meine nicht Sie. Ich meine … Richard? Was ist los?«
    »Es geht um die Österreicher …«
    »Legen Sie sofort das Handy weg, oder ich besetze Sie um!«
    »Richie, wart mal, ich kann …«
    »… hat sich umgebracht …«
    »Wer hat sich umgebracht? Ein Österreicher?«
    »Ich sage es Ihnen zum letzten Mal: Weg mit dem Handy!«
    Als Kluftinger sich zum Regisseur umdrehte, erschrak er: Frank stand unmittelbar vor ihm, seine Mundwinkel zuckten bedrohlich.
    »Kempten, Schwalbenweg 3 … ich komme sofort.« Der Kommissar beendete das Gespräch.
    Ein paar Sekunden war es still, dann wandte sich Kluftinger an Frank: »Ein Kollege, ich muss dringend weg. Einsatz.«
    Frank starrte ihn nur an, schien ihn gar nicht zu verstehen. »O nein, Herr Kluftinger. Das Einzige, was Sie hier müssen, ist, diese Szene zu Ende spielen.«
    »Das ist doch eh nur noch ein Satz.«
    »Das ist mir egal. Die Szene wird zu Ende gespielt«, sagte der Regisseur nun völlig ruhig. Dann schaltete er das Mikrofon aus und fuhr fort: »Wir waren uns doch vor den Proben einig, dass Ihr Beruf uns hier keine Schwierigkeiten bereiten wird. Das haben Sie mir versprochen, verdammt.«
    »Ja, das habe ich schon, aber meine Rolle ist ja schließlich doppelt besetzt. Da werde ich doch noch mal weg können, wenn es dringend ist.«
    »Nicht mehr lange«, erwiderte Frank.
    »Wie – nicht mehr lange?«
    »Sie wird nicht mehr lange doppelt besetzt sein«, sagte Frank, und ein kaltes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    Kluftinger hatte verstanden. Gerne hätte er diesen Despoten vor sich einfach stehen lassen, aber der Gedanke an einen Sommer im Musikbunker zusammen mit seiner Großtrommel ließ ihn die Beherrschung bewahren.
    »Na gut, Herr Frank, spielen wir die Szene zu Ende«, sagte er schließlich mit zusammengebissenen Zähnen.
    Frank ging einige Schritte zurück. »Also – Ruhe bitte. Und los!«
    Kluftinger holte tief Luft für seinen letzten Satz, sagte ihn aber nicht wie sonst in Richtung seiner Mitspieler, sondern wandte sich direkt an den Regisseur: »Wann wird der Retter kommen diesem Lande?« Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging.
    Während er seinen alten VW-Passat durch die Abenddämmerung lenkte, gingen Kluftinger allerlei Gedanken durch den Kopf. Er
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