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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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bekannt, die letzte Zusammenarbeit war mindestens ein Vierteljahr her. Und auch von einer Observation, die anmeldepflichtig gewesen wäre, wusste er nichts. Eine solche Anmeldung brauchten die Kollegen zwar nicht, wenn sie ad hoc eine Straftat verfolgten, zumindest die Einsatzzentrale musste aber darüber informiert werden. Und wenn es in seinen Bereich fiel, was hier ganz offensichtlich der Fall war, schließlich auch Kluftinger. Er beschloss, diplomatisch vorzugehen.
    »Wenn Sie schon nicht tot sind, welcher Österreicher hat uns denn dann mit seinem Ableben erfreut?«, fragte er und musste sich selbst eingestehen, dass er mit dieser Art der Diplomatie als Politiker wohl schon den einen oder anderen Krieg angezettelt hätte.
    Dennoch schien Kluftingers selbstbewusste Art bei den ausländischen Kollegen Wirkung zu zeigen, denn Bydlinski zog den Kopf ein, der ohnehin fast ohne Hals direkt an seiner Schulter angewachsen zu sein schien, und sie gaben den Weg ins Wohnzimmer frei. Kluftinger trat ein und bemerkte, dass Maier ihm nicht folgte. Und er sah auch sofort, warum. Kluftingers Magen drehte sich um und schlagartig wich ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht. Denn der Tote hatte genau das nicht mehr: ein Gesicht. Er lehnte mit dem Oberkörper an der Wand, die linke Kopfseite fehlte beinahe völlig. Hinter dem Mann an der Wand, etwa einen Meter über dessen jetziger Position, war ein riesiger Blutfleck; eine breite Blutspur führte nach unten. Bevor sich der Kommissar schaudernd abwandte, sah er im Augenwinkel noch die Pistole, die neben der erschlafften Hand des Mannes lag.
    Kluftinger atmete schwer. Und zuckte zusammen, als ihm Georg Böhm, der Pathologe, die Hand auf die Schulter legte. Im Vorbeigehen flüsterte ihm der sarkastisch ins Ohr: »Er ist tot.« Die österreichischen Kollegen verzogen darauf ihre Lippen zu einem spöttischen Grinsen. Kluftinger wankte den Hausgang entlang, bis er die Tür erreichte, hinter der er das Bad vermutete. Er blickte sich suchend um, fand dann Willi Renn, hob fragend die Augenbrauen und bekam als Antwort ein Kopfnicken. Er betrat den Raum und lehnte sich von innen gegen die Tür.
    Er brauchte fast eine Minute, um seine Fassung wiederzuerlangen. Mein Gott, was für ein Anblick, fuhr es ihm immer wieder durch den Kopf. Er stützte sich auf das Waschbecken und drehte den Hahn auf. Dann klatschte er sich mehrere Ladungen eiskalten Wassers ins Gesicht. Er trocknete sich danach nicht ab, denn er verspürte ein unvorstellbares Grauen bei dem Gedanken, das Handtuch des … des Kopflosen benutzen zu müssen. Als er in den Spiegel sah, erschrak er: Er sah selbst aus wie eine Leiche.
    Allerdings mit Gesicht. Immerhin.
    Nach ein paar tiefen Atemzügen trat er schließlich wieder aus dem Bad heraus. Unschlüssig sah er sich um. Er würde das Zimmer nicht mehr betreten, so viel stand fest. Das musste er auch gar nicht, jede Einzelheit hatte sich in sein fotografisches Gedächtnis eingebrannt. Für immer, wie er fürchtete.
    Inzwischen war auch Maier mit den beiden ausländischen Kollegen wieder bei ihm.
    »Schön is was anderes«, sagte der, der sich als Haas vorgestellt hatte.
    »Jo, hat sich eiskalt ’s Bimmerl wegg’schossn«, fügte Bydlinski hinzu.
    »Bitte?«, fragte Maier.
    »An Koopf! Wegg’schossn. Bumm, bumm!« Bei den letzten zwei Worten führte Bydlinski zwei Finger an die Schläfe und grinste.
    Kluftingers Magen zog sich erneut zusammen. Was waren das nur für Zeitgenossen, denen er da gegenüberstand?
    »Sie sind jetzt mal am besten ganz still«, schaltete sich Maier ein. »Was mit Ihnen passiert, steht ja noch auf einem ganz anderen Blatt.«
    Kluftinger sah seinen Kollegen fragend an. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er noch überhaupt keine Ahnung hatte, worum es hier überhaupt ging. Und warum redete Maier so harsch mit den Polizisten aus dem Nachbarland? Sein Verstand kämpfte sich langsam wieder an die Oberfläche. Er ärgerte sich über die Blöße, die er sich vor den Fremden gegeben hatte. Und er ärgerte sich darüber, dass er hier der Einzige zu sein schien, der keinerlei Ahnung hatte, was um ihn herum passierte.
    »So, meine Herren«, sagte er deshalb in die Runde und war selbst überrascht, wie fest seine Stimme schon wieder klang, »jetzt redet keiner mehr außer mir.«
    Alle blickten ihn erwartungsvoll an.
    »Ich meine … jetzt hör ich mal zu, und Sie erzählen mir, was hier vorgefallen ist.«
    Bydlinski rieb sich sein vernarbtes Kinn und begann zu
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