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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung
Autoren: Michelle Willingham
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stützte sich auf seinen Stock. „Vielen Dank, Lord Whitmore. Ich bin Ihnen sehr verbunden, dass Sie uns bekannt gemacht haben. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden?“
    Der Earl nickte ihnen zu und ging.
    Was hatte das alles zu bedeuten? Michael runzelte die Stirn. Der Graf sah ihn an, als könne er den Blick nicht von ihm lösen, und begann in einer Sprache, die sich für Michael entfernt wie Deutsch anhörte, auf ihn einzureden.
    Michael schüttelte den Kopf, um seinem Gegenüber zu bedeuten, dass er kein Wort verstand. Offenbar hatte der Graf das Gegenteil angenommen.
    Doch von Reischor schien deswegen nicht weiter betrübt. „Vergeben Sie mir, Lieutenant Thorpe. Ihr Äußeres veranlasste mich zu der Vermutung, dass Sie aus Lohenberg stammen.“
    „Mein Äußeres?“
    „Ja.“ Ungläubiges Staunen stand in den Augen des älteren Herrn. „Sie müssen wissen, dass Sie jemandem, den ich kenne, verblüffend ähnlich sehen. Man könnte meinen, Sie seien sein Sohn.“
    „Mein Vater war Fischhändler und hat London nie verlassen.“
    Der Graf wirkte nicht überzeugt. „Stammen Ihre Eltern beide aus England?“
    „Ja“, erwiderte Michael unbehaglich. Es missfiel ihm, dass der Graf Zweifel an seiner Herkunft zu haben schien. Er war der einzige Sohn seiner Eltern, die er vor vier Jahren bei einer Choleraepidemie verloren hatte. Mary Thorpe war in seinen Armen gestorben, und er würde ihr Andenken sein Leben lang bewahren. Er hatte seine Mutter über alles geliebt, und es beschämte ihn zutiefst, dass es ihm nicht gelungen war, seinen Eltern ein besseres Leben zu ermöglichen.
    „Es ist vermutlich ein Zufall – trotzdem fällt es mir schwer, Ihre Darstellung zu akzeptieren. Sie haben ja keine Ahnung, wie stark die Ähnlichkeit zwischen Ihnen beiden ist.“
    Mit Mühe schaffte Michael es, seinen Ärger zu unterdrücken. „Mein Vater war Paul Thorpe, niemand anderes. Sie haben kein Recht, derartige Vermutungen aufzustellen.“
    „Vielleicht sollten wir die Angelegenheit in einem privateren Rahmen besprechen“, erwiderte der Graf geduldig. „Besuchen Sie mich morgen in meiner Residenz in der St. James’s Street Nummer vierzehn.“
    „Ich werde nichts dergleichen tun“, entgegnete Michael schroff. „Ich weiß, wer ich bin und woher ich stamme.“ Er wandte sich zum Gehen, doch der Botschafter versperrte ihm mit dem goldbeschlagenen Gehstock den Weg.
    „Ich bin nicht sicher, ob Sie mich richtig verstanden haben, Lieutenant Thorpe“, sagte er leise. „Der Mann, dem Sie so auffallend ähneln, ist unser Fürst.“
    Michael schob den Grafen beiseite. Er, der Sohn eines Fürsten? Lächerlich. Von Reischor hatte einen seltsamen Humor, aber er würde sich ganz bestimmt nicht leichtgläubig von solch einem Unsinn in die Irre führen lassen.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Was dachte sich dieser Mann dabei, wenn er einem gewöhnlichen Soldaten einzureden versuchte, er sei womöglich fürstlicher Herkunft? Die ganze Sache war wirklich ein schlechter Witz.
    Trotzdem zog sich etwas in Michael zusammen. Die Begegnung mit dem Grafen rief Erinnerungen an die sonderbaren Träume in ihm wach, die ihn früher so manches Mal gequält hatten. Träume von einer langen Reise, von Stimmen, die nach ihm riefen, und den Tränen einer Frau.
    Er ballte die Hände zu Fäusten. Nichts von all dem war Wirklichkeit, und er weigerte sich, irgendwelchen verschwommenen Visionen eines Lebens, das nicht das seine war, Glauben zu schenken.
    Um sich von den haarsträubenden Vorstellungen abzulenken, beschloss er, Lady Hannah suchen zu gehen. Es war schon eine Weile her, dass sie in den Garten geeilt war, und seitdem hatte er sie nicht wieder auf die Terrasse kommen sehen.
    Also schlenderte er in den Rosengarten. In ihrem weißen Kleid würde es nicht schwierig sein, sie selbst in der Dunkelheit ausfindig zu machen. Doch obwohl er sich sorgfältig umsah, konnte er keine Spur von ihr entdecken.
    Allerdings hätte er sein Leben darauf verwettet, dass sie hier gewesen war. Aus Gewohnheit ging er in die Hocke und untersuchte die Spuren auf dem Boden. Als langjähriger Angehöriger des Militärs verstand er sich auf das Lesen von Fährten.
    Er folgte Lady Hannahs zierlichen Fußabdrücken bis zum Brunnen, wo auf einmal schwerere Abdrücke neben ihren auftauchten. Es musste etwas … nein, jemand … in Richtung der Stallungen weggeschleift worden sein.
    Michaels Sinne befanden sich augenblicklich in
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