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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung
Autoren: Michelle Willingham
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jemals den richtigen Mann finden würde. Schon lange träumte sie von einem Gatten und einem eigenen Hausstand und malte sich die damit verbundene Freiheit in den leuchtendsten Farben aus.
    Sie würde ihre eigenen Entscheidungen treffen können, ohne um Erlaubnis zu bitten oder befürchten zu müssen, sich nicht wie eine Dame zu verhalten. In ihrem Elternhaus kam sie sich trotz ihrer zwanzig Jahre oft wie ein fünfjähriges Mädchen vor, das vor allem Unbill der Welt geschützt werden musste.
    „Also, Hannah“, ihre Mutter schlug einen milde tadelnden Ton an, „der Baron hat sich auf das Freundlichste um dich bemüht. Seit einer Woche schickt er dir jeden Tag Blumen.“
    In der Tat hatte Lord Belgrave seinen Absichten deutlich Ausdruck verliehen. Doch trotz der betonten Höflichkeit konnte Hannah sich des Verdachts nicht erwehren, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte. Er war beinahe zu vollkommen.
    „Mir ist im Augenblick nicht nach Tanzen zumute“, erwiderte sie missmutig, obwohl sie ahnte, dass ihre Mutter die Entschuldigung nicht gelten lassen würde.
    „Es geht dir ausgezeichnet“, erwiderte die Marchioness unerbittlich. „Und darum kannst du die Aufforderung unmöglich ablehnen. Es wäre ein Affront.“
    Hannah presste die Lippen aufeinander und widerstand der Versuchung, mit ihrer Mutter zu streiten. Ein aussichtsloses Unterfangen, wenn es um schickliches Verhalten ging.
    „Um Himmels willen, so lächle doch“, forderte ihre Mutter sie auf. „Du siehst aus, als wolltest du jeden Moment ohnmächtig werden.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schwebte Lady Rothburne davon – gerade rechtzeitig, ehe Lord Belgrave eintraf, um seinen Tanz einzufordern.
    Hannah zwang sich zu einem Lächeln und hoffte inständig, dass die Zeit schnell vergehen würde. Als der Baron sie allerdings auch beim nächsten Tanz nicht aus seinen Fängen ließ, erhaschte sie einen Blick auf den Lieutenant, der finster zu ihnen herüberstarrte.
    Michael Thorpe verfügte über einen sechsten Sinn, wenn es darum ging, Ärger vorauszuahnen. Auf dem Schlachtfeld hatte ihm diese Gabe häufig das Leben gerettet.
    Auch jetzt, da er Lady Hannah und Lord Belgrave beim Tanzen beobachtete, stellte sich eine böse Vorahnung ein. Vermutlich war der jungen Dame gar nicht bewusst, dass sie von Verehrern umzingelt wurde wie von hungrigen Haien. Er hätte wetten können, dass es heute Abend in diesem Saal keinen einzigen Junggesellen gab, der nicht danach gierte, sie zu der Seinen zu machen.
    Er selbst bildete keine Ausnahme.
    Sie war ein Inbild der Unschuld, ein wahrer Engel. Doch obwohl sie noch nicht viel von der Welt gesehen haben konnte, war Michael ein Ausdruck von Verdruss nicht entgangen, der in ihren grünen Augen lag. Sie trug ihr karamellbraunes Haar an diesem Abend kunstvoll hochgesteckt und, passend zu ihrer elfenbeinweißen Ballrobe, mit Jasminblüten geschmückt. Wenn er ehrlich war, verwunderte es ihn, wie unverhohlen die Rothburnes ihre Tochter auf dem Heiratsmarkt anboten.
    Am liebsten hätte er Lady Hannahs Verehrer verjagt, sie wütend angeknurrt und ihnen unmissverständlich zu verstehen gegeben, wohin sie sich scheren sollten. Doch was würde er damit erreichen – außer die junge Dame vor ihren Freunden und ihrer Familie in Verlegenheit zu bringen?
    Nein. Es war besser, sich im Hintergrund zu halten und ein wachsames Auge auf sie zu haben. In den vergangenen Monaten hatte er so viel Elend und Zerstörung erlebt, dass es ihm ein tiefes Bedürfnis war, etwas so Zerbrechliches, Gutes, Reines zu beschützen. Schon bald würde er wieder auf die Krim zurückkehren und sich den Dämonen stellen müssen, die er zurückgelassen hatte. Es war mehr als wahrscheinlich, dass eine Kugel seinem Leben ein Ende bereitete.
    Doch bevor die Armee ihn wieder aufs Schlachtfeld zurückbeorderte, würde er ein letztes Mal seine Freiheit genießen. Wütend beobachtete er Belgrave und stellte sich für einen kurzen Augenblick vor, wie es sich wohl anfühlen mochte, Lady Hannah in den Armen zu halten.
    Sein guter Freund Lord Whitmore trat neben ihn und bedachte ihn mit einem besorgten Blick. Kurz darauf gesellte sich auch Whitmores jüngerer Bruder Lord Quentin zu ihnen.
    „Ich hoffe um deinetwillen, Thorpe, dass du kein Auge auf meine Schwester geworfen hast“, sagte der Earl mit leiser Stimme. „Ansonsten sähe ich mich leider genötigt, dich zu töten.“
    Lord Quentin beugte sich vor und grinste über das ganze Gesicht. „Und ich würde ihm
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