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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung
Autoren: Michelle Willingham
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bevor sie wütend herumwirbelte, um ihn in die Schranken zu weisen.
    Doch Thorpe war fort. Sie starrte in die Dunkelheit, konnte ihn nirgends entdecken. Lediglich das wohlige Prickeln auf ihrer Haut zeugte davon, dass er tatsächlich da gewesen war.
    „Was machst du alleine hier draußen, Hannah?“
    Erschrocken fuhr sie herum, als der Marquess of Rothburne auf sie zutrat. Offenbar hatte er das Gespräch mit ihren Brüdern beendet. Ihr Vater musterte sie missbilligend. Zweifellos fand er es höchst unschicklich, dass sie sich ohne Anstandsdame im Freien aufhielt.
    Hannah hoffte inständig, dass ihm ihre geröteten Wangen nicht auffielen. „Ich wollte dich um Erlaubnis bitten, mich zurückziehen zu dürfen“, erwiderte sie ruhig. „Es war ein langer Abend. Mir tut der Kopf weh, und ich würde mich gerne hinlegen.“
    „Soll ich nach deiner Zofe rufen lassen? Brauchst du Laudanum?“, fragte er besorgt.
    Hannah schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass es so schlimm wird. Wenn es dir nichts ausmacht, Vater, möchte ich zu Bett gehen. Ich bin sehr müde.“
    Ihr Vater bot ihr den Arm. „Lass uns zuvor ein paar Schritte durch den Garten schlendern.“
    Hannah zögerte. Aber sie nahm an, dass ihr Vater etwas Wichtiges mit ihr zu besprechen hatte, und hakte sich bei ihm ein, obwohl ihr eigentlich nicht der Sinn nach Reden stand. Er führte sie von der Terrasse herunter auf den Kiesweg zum Rosengarten. Die Sträucher zeigten bereits erstes Grün, obwohl sie erst im Frühsommer in Blüte stehen würden. Fröstelnd sah Hannah zum Nachthimmel auf, der über und über mit funkelnden Sternen besetzt war. Sie ärgerte sich, dass sie keinen Schal mitgenommen hatte.
    Noch immer prickelte ihre Haut von der Berührung Lieutenant Thorpes, noch immer befand sich ihr Inneres in hellem Aufruhr. Es war, als habe er eine Saite in ihr zum Klingen gebracht, die nicht verstummen wollte – ein Zustand, der Hannah ganz und gar nicht gefiel. Selbst jetzt noch fühlten sich ihre Beine zittrig an, und eine unbekannte Sehnsucht erfüllte sie.
    Was hatte er bloß mit ihr angestellt? War es liederlich, dass sie seine flüchtige Berührung so sehr genossen hatte?
    Ihr Vater führte sie durch den Garten. Es war still bis auf das Knirschen ihrer Schritte auf dem Kiesweg. Hannah ertappte sich dabei, wie sie Lieutenant Thorpe mit ihrem Vater verglich. James Chesterfield, Marquess of Rothburne, war durch und durch Aristokrat. Mit Ausnahme von Hannah schüchterte seine stolze Art nahezu jeden ein. Nie hatte er etwas getan, das nicht den Regeln des Anstands entsprach. Im Gegensatz dazu hatte Lieutenant Thorpe etwas Draufgängerisches, das ganz zu einem Mann passte, der zu tun pflegte, was ihm gefiel.
    Bei der Erinnerung durchfuhr sie ein wohliger Schauer.
    „Du hast einen weiteren Antrag abgelehnt, habe ich recht?“, wagte sie schließlich einen Vorstoß, als ihr Vater weiterhin schwieg.
    Der Marquess blieb stehen. „Bisher noch nicht. Aber der Baron of Belgrave hat um Erlaubnis gebeten, morgen mit mir sprechen zu dürfen.“
    Das überraschte sie nicht, und sie hielt es für das Beste, keinen Hehl aus ihren Gefühlen zu machen. „Ich will ihn nicht heiraten, Papa.“
    „Er besitzt ein großes Anwesen und kommt aus einer hochangesehenen Familie“, entgegnete ihr Vater. „Und er scheint sich aufrichtig für dich zu interessieren.“ Sie umrundeten den Brunnen und schlenderten in Richtung Haus zurück.
    „Irgendetwas an ihm ist mir nicht geheuer.“ Hannah versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Ich kann es nicht besser erklären.“
    „Das ist kein triftiger Grund, seinen Antrag abzulehnen“, gab der Marquess zu bedenken.
    Sie musste ihm recht geben, verließ sich aber darauf, dass er auf ihrer Seite war. „Wie stellst du dir meinen idealen Ehemann vor, Papa? Ich möchte so gerne heiraten.“
    Der Marquess räusperte sich. „Ich werde es wissen, sobald ich ihn sehe. Aber ich will sicher sein, dass er sich um dich kümmert und dich glücklich macht.“ Ihr Vater legte seine Hand auf ihre und drückte sie sacht, doch seine Miene blieb ernst. Die ergrauten Strähnen in seinem Bart und seinem Haar glänzten silbrig im Mondlicht.
    Sie stiegen die Stufen zur Terrasse herauf und traten durch die offenstehende Glastür in den Ballsaal. Die lebhafte, laute Tanzmusik, das immer wieder von Gelächter unterbrochene Stimmengewirr der Ballgäste wuchs zu einem unerträglichen Lärm an, und Hannahs Kopfschmerzen verstärkten sich. Ihr
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