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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung
Autoren: Michelle Willingham
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Gatte werden würde. Würde er ihr mit Zärtlichkeit begegnen? Ihr freundschaftlich verbunden sein? Ihr vielleicht sogar Liebe entgegenbringen?
    Oder gab es da noch etwas? Über das vertraute Zusammensein von Mann und Frau hatte ihre Mutter bisher kein Sterbenswörtchen verloren. Sie hatte nur so viel verraten: Hannah würde alles beizeiten in der Hochzeitsnacht lernen. Jede Anspielung auf das, was sich im Ehebett abspielte, brachte ihre Mutter zum Erröten und ließ sie verlegen stammeln.
    Plötzlich musste Hannah wieder an Lieutenant Thorpes Kuss denken und erschauerte wohlig. Natürlich hätte er niemals wagen dürfen, sie derart vertraulich zu berühren, aber das kümmerte ihn anscheinend nicht. Er war ein Mann, der seine eigenen Regeln aufstellte und sie auch wieder brach, wenn ihm danach zumute war. Der Lieutenant hatte ihr weder langweilige Komplimente gemacht, noch ihren Vater um die Erlaubnis gebeten, ihr einen Besuch abstatten zu dürfen. Stattdessen hatte er sie im Dunkel der Nacht berührt und sie zum Leben erweckt.
    Nichts, was Sie mir geben könnten, meine Liebe.
    Was hatte er wohl damit gemeint? Mit den Fingerspitzen strich Hannah sich über die Stelle an ihrer Schulter, die immer noch vor Erregung prickelte. Ihre Mutter würde vermutlich einen Schreikrampf bekommen, wenn sie jemals erfuhr, was sich der Lieutenant herausgenommen hatte. Es war wie die Liebkosung eines Liebhabers, dieser Kuss, den er mir in den Nacken gegeben hat …
    Als sie sich mit den Fingern über die Stelle strich, fuhr sie entsetzt zusammen.
    Ihr Diamanthalsband! Es war fort! Hannah wurde plötzlich panisch. Der Schmuck war ein Vermögen wert.
    Sie sprang auf, stürzte aus dem Zimmer, die Treppen hinunter. Sie musste sich beruhigen, damit sie keine Aufmerksamkeit erregte. Unauffällig schlich sie sich durch den Korridor in den Ballsaal. Fieberhaft suchte sie den gesamten Marmorfußboden ab. Doch vergebens.
    Sie dachte an Thorpe. Daran, wie er ihren Nacken gestreichelt hatte. Ob der Verschluss des Colliers dabei womöglich aufgegangen war? Sie wollte nicht glauben, dass der Lieutenant die Diamanten an sich genommen hatte, aber bei dieser Gelegenheit hatte sie die Kette zuletzt bewusst wahrgenommen.
    Sie reckte den Hals und hielt Ausschau nach Thorpe. Doch er war nicht hier. Endlich entdeckte sie ihn abseits der anderen Gäste auf der Terrasse. Er stand im Schatten der Buchsbaumhecke, die in der Dunkelheit wie eine Phalanx großer, schweigender Wächter anmutete.
    Der Lieutenant hatte die Arme vor der Brust verschränkt, was die Nähte seines schlecht geschneiderten Frackrocks aufs Äußerste strapazierte.
    „Verzeihung, Lieutenant Thorpe“, sagte Hannah leise, als sie auf ihn zutrat. „Könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?“
    Er musterte sie forschend, dann zuckte er mit den Schultern. „Haben Sie keine Angst, dass Ihr Vater Sie mit mir sieht? Er dürfte wenig erbaut sein, wenn er seine Tochter in der Gesellschaft eines einfachen Soldaten vorfindet.“
    Hannah beschloss, nicht auf seine spöttische Bemerkung einzugehen. Sie wusste sehr wohl, dass sie sich unziemlich benahm. „Ich muss Sie fragen, ob Sie mein Halsband gesehen haben. Es ist mir abhanden …“
    „Sie denken, ich hätte es genommen?“, fragte er in einem Tonfall, der Hannah wünschen ließ, geschwiegen zu haben.
    Genau wie ihr Vater war Thorpe ein stolzer Mann. Einem Soldaten bedeutete seine Ehre alles, und Hannah erkannte, dass sie ihn mit ihrer Frage beleidigt hatte. Ihre nächsten Worte wählte sie mit Bedacht. „Der Verschluss könnte sich geöffnet haben, als Sie … als Sie meinen Hals berührten. Womöglich ist das Collier an der Stelle zu Boden gefallen, wo ich gestanden habe.“ Das klang ziemlich vernünftig in ihren Ohren, und sicher würde er die Worte nicht als Beleidigung auffassen, oder?
    „Ich bin kein Dieb“, entgegnete er scharf. „Sie haben nichts, was ich zu besitzen wünsche.“
    Seine schroffen Worte kränkten sie. Mittlerweile sprach er nicht nur mehr von dem Halsband, dessen war sie sicher. Sie zwang sich zu einem Nicken und spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. „Es lag nicht in meiner Absicht, irgendetwas anzudeuten.“
    „Nein? Ich bin der einzige Gast auf diesem Ball, der etwas mit den Diamanten anfangen könnte – ein Mann ohne Vermögen.“
    „Sie sind nicht der Einzige“, widersprach sie fest. „Aber das ist jetzt völlig ohne Belang. Sie haben die Kette nicht, und das reicht mir.“
    Sie raffte die
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