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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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Familiensolidarität – mit Emma. Darüber hinaus berührte ihn eigentlich nichts. Auch Connie fühlte, daß sie ihn nicht wirklich berührte. Vielleicht war nicht einmal etwas da, was zu berühren gewesen wäre. Eine Negierung jeden menschlichen Kontakts.
    Doch er war vollkommen abhängig von ihr, er brauchte sie in jedem Augenblick. So groß und kräftig er auch war – er war hilflos. Er konnte sich in einem Rollstuhl voranbewegen, und er besaß eine Art Krankensessel mit einem Motor, in dem er langsam durch den Park tuckern konnte. Aber wurde er allein gelassen, so war er verloren. Er brauchte Connies Anwesenheit, damit sie ihm das Gefühl gab, daß er überhaupt noch existiere.
    Und er war ehrgeizig. Er hatte angefangen, Geschichten zu schreiben – seltsame, sehr eigenwillige Geschichten über Menschen, die er kannte. Kluge, ziemlich boshafte und auf rätselhafte Weise doch bedeutungslose Geschichten. Sein Beobachtungsvermögen war ungewöhnlich und skurril. Aber die Teilnahme fehlte, der wirkliche Kontakt. Es war, als ob das Ganze in einem Vakuum stattfände. Und da das Leben sich heute weitgehend auf einer künstlich beleuchteten Bühne abspielt, standen die Geschichten in einem seltsam wahren Bezug zum modernen Leben und zur modernen Psychologie.
    Clifford war geradezu krankhaft empfindlich, wenn es um diese Geschichten ging. Er erwartete, daß jeder sie gut fände, hervorragend, non plus ultra . Sie erschienen in den modernsten Zeitschriften und wurden, wie das so üblich ist, bald gepriesen, bald verrissen. Aber für Clifford glich jeder Verriß einer Marter, einem Messer, das sich in ihn bohrte. Es war, als habe er sein ganzes Sein in diese Geschichten gelegt. Connie half ihm, so gut sie es vermochte. Am Anfang fand sie es höchst aufregend. Er besprach alles mit ihr, wieder und wieder, eindringlich, gründlich, und sie mußte darauf eingehen, so gut sie nur konnte. Ihr war, als müßten ihre Seele und ihr Leib und ihr Geschlecht sich regen und in diese Geschichten eingehen. Das bewegte sie und nahm sie ganz gefangen.
    Ihr gemeinsames physisches Leben war kaum der Rede wert. Sie mußte das Haus führen. Aber die Haushälterin hatte schon seit vielen Jahren Sir Geoffrey gedient, und die vertrocknete, ältliche, über alle Maßen korrekte Person – man konnte sie kaum als Stubenmädchen bezeichnen, schon gar nicht als Frau –, die bei Tisch aufwartete, war seit nunmehr vierzig Jahre im Hause. Sogar die Hausmädchen waren nicht mehr jung! Es war gräßlich! Was sollte man anders mit einem solchen Haus machen, als es seinem Zustand überlassen? All die endlosen Räume, die niemand je benutzte, all die mittelenglischen Tagesriten, die mechanische Sauberkeit, die mechanische Ordnung! Clifford hatte auf einer neuen Köchin bestanden, nämlich auf der erfahrenen Frau, die ihm in seiner Wohnung in London gedient hatte. Im übrigen schien mechanische Anarchie im Haus zu herrschen. Alles lief in tadelloser Ordnung ab, in peinlicher Reinlichkeit, in peinlicher Pünktlichkeit, sogar in peinlicher Redlichkeit. Und doch war es für Connie wie eine methodische Anarchie. Keine Gefühlswärme hielt es organisch zusammen. Das Haus war ebenso trübselig wie eine unbegangene Straße.
    Was sollte sie anderes tun, als alles so lassen, wie es war? Und so ließ sie alles, wie es war. Manchmal kam Miss Chatterley, mit ihrem aristokratischen, hageren Gesicht, und stellte triumphierend fest, daß sich nichts geändert hatte. Sie würde Connie nie verzeihen, daß sie sie aus dem engen geistigen Bund mit dem Bruder vertrieben hatte. Ihr, Emma, kam es eigentlich zu, ihm bei diesen Geschichten, diesen Büchern zu helfen – den Chatterley-Geschichten, etwas ganz Neuem in der Welt, das sie , die Chatterleys, hervorgebracht hatten. Es gab keinen Maßstab für sie. Es gab keinen organischen Bezug zu früheren Gedanken- und Ausdrucksformen. Es gab nur dies eine, dies Neue in der Welt: die Chatterley-Bücher, etwas durch und durch Individuelles.
    Als Connies Vater Wragby einen flüchtigen Besuch abstattete, sagte er im Vertrauen zu seiner Tochter: «Cliffords Schreibereien sind ja ganz nett, aber es steckt nichts dahinter. Sie werden keinen Bestand haben! …» Connie sah den stämmigen schottischen Ritter an, der sich sein Leben so gut eingerichtet hatte, und ihre Augen, ihre großen, noch immer verwunderten Augen trübten sich. Nichts dahinter! Was meinte er damit – nichts dahinter ? Wenn die Rezensenten es lobten und Cliffords Name
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