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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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Clifford konnte es nicht mehr erschüttern. Für ihn waren die Behörden ab ovo lächerlich, nicht nur wegen der Toffees oder Tommies.
    Und die Behörden kamen sich selber lächerlich vor und benahmen sich reichlich lächerlich, und eine Zeitlang ging es zu wie in einem Narrenhaus. Bis die Dinge drüben sich zuspitzten und Lloyd George auftrat, um die Situation hüben zu retten. Und dann ging alles zu weit, um noch lächerlich zu sein; die versnobten jungen Leute lachten nicht mehr.
    1916 fiel Herbert Chatterley, und so wurde Clifford der Erbe. Sogar das erschreckte ihn. Aber seine Bedeutung als Sohn Sir Geoffreys und Kind Wragbys saß ihm so sehr in Fleisch und Blut, daß er sich ihr nicht entziehen konnte. Und dabei wußte er, daß auch dies lächerlich war in den Augen der ungeheuren brodelnden Welt. Jetzt war er Erbe und für Wragby verantwortlich. War das nicht entsetzlich? Und gleichzeitig herrlich und außerdem vielleicht gänzlich absurd?
    Sir Geoffrey empfand es keineswegs als absurd. Er war blaß und angespannt, in sich zurückgezogen und hartnäckig entschlossen, sein Land und seine eigene Position zu erhalten – ob nun unter Lloyd George oder sonst wem. Er wußte so wenig von dem England, das das wahre England war, lebte so abgeschieden von ihm, war dermaßen beschränkt, daß er sogar von Horatio Bottomley etwas hielt. Sir Geoffrey stand für England und Lloyd George, wie seine Vorfahren für England und St. Georg gestanden hatten: und nie erfuhr er, daß es da einen Unterschied gab. So fällte Sir Geoffrey also seine Bäume und stand für Lloyd George und England, für England und Lloyd George.
    Und er wollte, daß Clifford heirate und einen Erben zeuge. Clifford hielt seinen Vater für einen hoffnungslosen Anachronismus. Aber worin war er ihm auch nur eine Spur voraus, als in der erschrockenen Erkenntnis, wie lächerlich alles war und wie unübertrefflich lächerlich seine eigene Stellung? Denn wohl oder übel nahm er seine Baronetwürde und Wragby bitter ernst.
    Der Krieg hatte nichts Frisch-Fröhliches mehr … erloschen. Zu viel Tod und Entsetzen. Ein Mann brauchte Trost und Hilfe. Ein Mann brauchte einen Anker in einer sicheren Welt. Ein Mann brauchte eine Frau.
    Die Chatterleys, zwei Brüder und eine Schwester, hatten trotz all ihrer Beziehungen merkwürdig isoliert und eingekapselt auf Wragby gehaust. Ein Gefühl, abgesondert zu sein, knüpfte die Familienbande enger – ein Gefühl der Schwäche ihrer Stellung, ein Gefühl der Wehrlosigkeit trotz oder gerade wegen des Titels und des Grundbesitzes. Zwischen ihnen und den industriellen Midlands, wo sie ihr Leben zubrachten, bestand keine Beziehung. Und das schwerblütige, starrköpfige, verschlossene Wesen Sir Geoffreys, ihres Vaters, über den sie sich lustig machten, obwohl sie in allem, was ihn anging, empfindlich waren, trennte sie von ihrer eigenen Kaste.
    Die drei hatten sich geschworen, daß sie immer zusammenbleiben würden. Aber nun war Herbert tot, und Sir Geoffrey wünschte, daß Clifford heirate. Sir Geoffrey redete kaum davon – er sprach sehr wenig. Aber es war schwer für Clifford, sich seiner stillen, düsteren Beharrlichkeit zu widersetzen.
    Emma aber sagte: Nein! Sie war zehn Jahre älter als Clifford, und seine Heirat kam für sie einer Fahnenflucht gleich, einem Verrät an allem, dem sich die jüngeren Familienmitglieder verschrieben hatten.
    Clifford heiratete Connie aber trotzdem und verbrachte seinen Honigmond mit ihr. Man schrieb das furchtbare Jahr 1917, und sie waren einander nahe wie zwei Menschen, die auf einem sinkenden Schiff stehen. Er war noch ohne Liebeserfahrung, als er heiratete, und das Sexuelle galt ihm nicht viel. Sie waren einander auch ohne das so nah, er und sie. Und Connie schwelgte in dieser Intimität jenseits alles Geschlechtlichen, jenseits der «Befriedigung» eines Mannes. Clifford jedenfalls war nicht gerade erpicht auf seine «Befriedigung», wie so viele Männer es zu sein schienen. Nein, ihre Intimität war viel tiefer, persönlicher als das. Das Geschlechtliche war nur eine Nebensache, ein Nebenumstand, einer der kuriosen, abgenutzten organischen Vorgänge, die sich in ihrer Plumpheit beharrlich erhielten, doch keineswegs notwendig waren. Trotzdem aber wollte Connie Kinder haben – sei es auch nur, um sich gegen ihre Schwägerin Emma zu behaupten.
    Doch Anfang 1918 wurde Clifford zusammengeschossen nach Hause transportiert, und mit den Kindern war es aus. Und Sir Geoffrey starb vor
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