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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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worden. Sie erfüllte sich, noch ehe sie wußten, was diese Verheißung bedeutete.
    Und wenn die aus diesen lebhaften und seelenerleuchtenden Diskussionen erwachsene Intimität das Geschlechtliche mehr oder weniger unumgänglich machte – nun gut. Es bezeichnete das Ende eines Kapitels. Und es hatte auch seinen eigenen Reiz: ein eigentümliches vibrierendes Erbeben innen im Körper, ein letztes Aufbäumen der Selbstbehauptung, wie ein letztes Wort, erregend und jener Reihe von Sternchen vergleichbar, die zuweilen den Schluß eines Kapitels bezeichnen und eine neue Wendung im Thema.
    Als die Mädchen in den Sommerferien des Jahres 1913 nach Hause kamen – Hilda war zwanzig und Connie achtzehn –, war dem Vater klar, daß sie ihre Erfahrungen in der Liebe gemacht hatten.
    L’amour avait passé par là , wie irgend jemand gesagt hat. Doch war er selbst ein Mann der Erfahrungen, und so ließ er dem Leben seinen Lauf. Die Mutter hingegen, in den letzten Monaten ihres Lebens nervenkrank und siech, wollte nichts weiter, als daß ihre Töchter «frei» seien und «sich selbst erfüllten». Sie hatte nie die Kraft gehabt, ganz sie selbst zu sein; das war ihr versagt geblieben. Mochte der Himmel wissen, warum, denn sie war eine Frau mit eigenem Einkommen und eigenen Möglichkeiten. Sie gab ihrem Mann die Schuld. In Wahrheit jedoch hatte sich ihrem Geist oder ihrer Seele irgendein altes Autoritätserlebnis eingeprägt, das sie nicht auslöschen konnte. Mit Sir Malcolm hatte es nichts zu tun; er überließ seiner nervös feindseligen, überspannten Frau ihren Hühnerhof und ging seine eigenen Wege.
    So waren die Mädchen also «frei» und kehrten zurück nach Dresden zu ihrer Musik, zur Universität und zu den jungen Männern. Sie liebten ihre jeweiligen jungen Männer, und ihre jeweiligen jungen Männer liebten sie mit der Leidenschaft geistiger Anziehung. All die wundervollen Dinge, die die jungen Männer dachten und aussprachen und niederschrieben, dachten und sprachen und schrieben sie für die jungen Mädchen. Connies junger Mann war musikalisch, der Hildas technisch interessiert. Aber eigentlich lebten sie nur für ihre jungen Mädchen, nämlich seelisch und in ihren geistigen Höhenflügen. In anderer Hinsicht waren sie abgewiesen worden, obwohl sie es nicht merkten.
    Auch ihnen sah man an, daß sie die Liebe erfahren hatten – das heißt die physische Liebe. Sonderbar, welch eine feine, doch unverkennbare Wandlung sie im Körper des Mannes und auch in dem der Frau bewirkt: das Mädchen gewinnt einen zarteren Schmelz, unmerklich rundet und glättet sich seine junge Eckigkeit, und der Ausdruck des Gesichts wirkt begehrlich oder triumphierend. Der Mann wird ruhiger, mehr in sich gekehrt, die Konturen seiner Schultern und Schenkel werden unbestimmter, zögernder.
    Im ersten geschlechtlichen Erschauern des Körpers erlagen die Schwestern beinah der seltsamen männlichen Gewalt. Aber sie fingen sich schnell wieder, nahmen die sexuelle Erregung als Nervenkitzel und blieben frei. Die Männer dagegen trugen den Mädchen aus Dankbarkeit für die geschlechtliche Erfahrung ihre Seele entgegen. Und hinterher sahen sie aus, als hätten sie einen Shilling verloren und dafür ein Sixpencestück gefunden. Connies junger Mann konnte ein wenig verdrießlich werden und der Hildas ein wenig höhnisch. Aber so sind die Männer! Undankbar und nie zufrieden. Wenn du sie abweist, hassen sie dich, weil du nicht willst, und wenn du einwilligst, hassen sie dich auch – aus irgendeinem anderen Grund. Oder einfach aus dem einen Grund, daß sie mißmutige Kinder sind und niemals zufriedengestellt werden können, was immer sie auch bekommen – die Frau mag tun, was sie will.
    Wie auch immer – der Krieg brach aus, und Hilda und Connie wurden eilig heimgerufen, nachdem sie schon im Mai zu Hause gewesen waren, zur Beerdigung ihrer Mutter. Noch vor Weihnachten 1914 waren die beiden jungen Deutschen tot; darauf weinten die Schwestern und liebten die jungen Männer leidenschaftlich, aber im Grunde vergaßen sie sie. Sie existierten nicht mehr.
    Die beiden Schwestern lebten im Haus ihres Vaters – genaugenommen in dem ihrer Mutter – in Kensington und gesellten sich zu jener Gruppe junger Cambridge-Studenten, deren Kennzeichen «Freiheit», Flanellhosen, am Hals offene Flanellhemden, eine wohlerzogene Anarchie der Gefühle, flüsternde Stimme und eine überempfindsame Attitüde waren. Hilda indessen heiratete plötzlich einen zehn Jahre älteren
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