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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition)
Autoren: D. H. Lawrence
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fast berühmt war und es sogar Geld einbrachte …, was konnte der Vater dann meinen, wenn er sagte, bei Cliffords Schreibereien stecke nichts dahinter? Was sollte denn sonst noch sein?
    Denn Connie hatte sich auf den Standpunkt der Jungen gestellt: was der Augenblick gab, war alles. Und die Augenblicke folgten aufeinander, ohne notwendig zueinander zu gehören.
    Ihr zweiter Winter auf Wragby ging ins Land, als der Vater zu ihr sagte: «Ich hoffe, Connie, du paßt auf, daß die Umstände hier dich nicht zur demi-vierge machen.»
    «Zur demi-vierge », wiederholte Connie ungewiß. «Wieso? Wieso nicht?»
    «Es sei denn, du magst das, natürlich», setzte der Vater hastig hinzu. Clifford sagte er dasselbe, als die beiden Männer unter sich waren: «Ich fürchte, es paßt nicht ganz zu Connie, eine demi-vierge zu sein.»
    «Eine Halb-Jungfrau!» Clifford übersetzte sich den Ausdruck, um sicherzugehen. Einen Augenblick lang überlegte er, dann wurde er dunkelrot. Er war zornig und gekränkt.
    «In welcher Hinsicht paßt es nicht zu ihr?» fragte er förmlich.
    «Sie wird mager … eckig. Das steht ihr nicht. Sie ist nicht so ein Hering, so eine halbe Portion, sie ist eine feine schottische Forelle.»
    «Ohne die Flecken natürlich», sagte Clifford.
    Er wollte später mit Connie über die Sache mit der demi-vierge sprechen, über ihren halbjungfräulichen Zustand. Aber er konnte es nicht über sich bringen. Er war ihr zu nahe und doch nicht nahe genug. Er war so sehr eins mit ihr, in seinem Geist und in ihrem; aber körperlich existierten sie nicht füreinander, und keiner von ihnen konnte es ertragen, wenn das corpus delicti erwähnt wurde. Sie waren so intim miteinander und doch ganz ohne Kontakt.
    Connie jedoch erriet, daß ihr Vater etwas gesagt hatte und daß Clifford etwas in seinen Gedanken bewegte. Sie wußte, es war ihm einerlei, ob sie demi-vierge war oder demi-monde , solange er es nicht mit absoluter Sicherheit wußte oder darauf hingewiesen wurde. Was das Auge nicht sieht und der Kopf nicht weiß, das existiert nicht.
    Connie und Clifford wohnten nun seit fast zwei Jahren auf Wragby, führten ihr verschwommenes Leben und gingen auf in Clifford und seiner Arbeit. Beider Interessen hatten nie aufgehört, in seinem Werk zusammenzufließen. Sie sprachen miteinander und kämpften sich durch die Wehen der Gestaltung und glaubten, daß etwas geschähe, etwas Wirkliches geschähe, etwas Wirkliches in der Leere.
    Und insofern war es ein Leben in der Leere. Im übrigen war es Nichtdasein. Wragby war da, die Diener … aber sie waren nur Phantome, existierten nicht wirklich. Connie machte Spaziergänge durch den Park und durch die Wälder, die an den Park grenzten, und genoß die Einsamkeit und das Geheimnis, stieß die braunen Blätter des Herbstes fort und pflückte die Schlüsselblumen des Frühlings. Aber alles war ein Traum; oder richtiger, es war wie das Scheinbild der Wirklichkeit. Die Eichenblätter waren für sie Eichenblätter, die in einem Spiegel rascheln, sie selber eine Gestalt, über die irgend jemand gelesen hatte, sie pflückte Schlüsselblumen, die nur Schatten waren oder Erinnerungen oder Worte. Nichts hatte Substanz – weder sie noch irgend etwas … keine Fühlung, keine Nähe. Nur dies Leben mit Clifford, dies endlose Spinnen von Geweben aus Worten und kleinen Einzelheiten des Bewußtseins – diese Geschichten, von denen Sir Malcolm gesagt hatte, daß nichts dahinterstecke und daß sie keinen Bestand haben würden. Warum sollte etwas dahinterstecken, warum sollten sie Bestand haben? Der Tag hat genug an seiner Mühsal. Der Augenblick hat genug am Schein der Wirklichkeit.
    Clifford hatte ziemlich viele Freunde – eigentlich nur Bekannte – und lud sie nach Wragby ein. Er bat alle möglichen Leute zu sich, Rezensenten und Schriftsteller – Leute, die dazu dienen konnten, seine Bücher zu rühmen. Und sie fühlten sich geschmeichelt, daß sie eingeladen wurden, nach Wragby zu kommen, und sie rühmten. Connie durchschaute das alles sehr wohl. Aber warum nicht? Es gehörte zu den vergänglichen Bildern im Spiegel. Was war denn dabei? Sie war diesen Leuten – größtenteils Männern – eine gute Gastgeberin. Sie war auch Cliffords gelegentlich auftauchenden aristokratischen Verwandten eine gute Gastgeberin. Sie war ein zärtliches, rotwangiges, ländliches Mädchen, das zu Sommersprossen neigte, sie hatte große blaue Augen und braune Locken und eine weiche Stimme und ziemlich starke
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