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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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nicht heranreichen konnte.
    »Meine liebe, alte Freundin«, wiederholte Melanie.
    »Ja, das warst du, Riekchen, das bist du gewesen.
    Eine rechte Freundin, die mir immer zum Guten ge-
    raten und nie zum Munde gesprochen hat. Aber es
    hat nicht geholfen, und ich habe nie begriffen, wie man Grundsätze haben kann oder Prinzipien, was
    eigentlich dasselbe meint, aber mir immer noch
    schwerer und unnötiger vorgekommen ist. Ich hab'
    immer nur getan, was ich wollte, was mir gefiel, wie mir gerade zumute war. Und ich kann es auch so
    schrecklich nicht finden. Auch jetzt noch nicht. Aber gefährlich ist es, soviel räum' ich ein, und ich will es anders zu machen suchen. Will es lernen. Ganz bestimmt. Und nun erzähle. Mir brennen hundert Fra-
    gen auf der Seele.«
    Riekchen war verlegen eingetreten und auch verle-
    gen geblieben, jetzt aber sagte sie, während sie die Augen niederschlug und dann wieder freundlich und
    fest auf Melanie richtete: »Habe doch mal sehen wollen... Und ich bin auch nicht hinter seinem Rücken
    hier. Er weiß es und hat mir zugeredet.«
    Melanie flogen die Lippen. »Ist er erbittert? Sag, ich will es hören. Aus deinem Munde kann ich alles hö-
    ren. In den Weihnachtstagen war Reiff hier. Da
    mocht' ich es nicht. Es ist doch ein Unterschied, wer 174
    spricht. Ob die Neugier oder das Herz. Sag, ist er
    erbittert?«
    Die Kleine bewegte den Kopf hin und her und sagte:
    »Wie denn! Erbittert! Wär' er erbittert, so wär' ich nicht hier. Er war unglücklich und ist es noch. Und es zehrt und nagt an ihm. Aber seine Ruhe hat er wieder. Das heißt, so vor den Menschen. Und dabei
    bleibt es, denn er war dir sehr gut, Melanie, so gut er nur einem Menschen sein konnte. Und du warst sein
    Stolz, und er freute sich, wenn er dich sah.«
    Melanie nickte.
    »Sieh, Herzenskind, du hast nicht anders gekonnt,
    weil du das andre nicht gelernt hattest, das andre, worauf es ankommt, und weil du nicht wußtest, was
    der Ernst des Lebens ist. Und Anastasia sang wohl
    immer: ›Wer nie sein Brot mit Tränen aß‹, und Eli-
    mar drehte dann das Blatt um. Aber singen und erle-
    ben ist ein Unterschied. Und du hast das Tränenbrot nicht gegessen, und Anastasia hat es nicht gegessen, und Elimar auch nicht. Und so kam es, daß du nur
    getan hast, was dir gefiel oder wie dir zumute war.
    Und dann bist du von den Kindern fortgegangen, von
    den lieben Kindern, die so hübsch und so fein sind, und hast sie nicht einmal sehen wollen. Hast dein
    eigen Fleisch und Blut verleugnet. Ach, mein armes, liebes Herz, das kannst du vor Gott und Menschen
    nicht verantworten.«
    Es war, als ob die Kleine noch weiter sprechen woll-te. Aber Melanie war aufgesprungen und sagte:

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    »Nein, Riekchen, an dieser Stelle hört es auf. Hier tust du mir unrecht. Sieh, du kennst mich so gut und so lange schon, und fast war ich selber noch ein
    Kind, als ich ins Haus kam. Aber das eine mußt du
    mir lassen: ich habe nie gelogen und geheuchelt und hab' umgekehrt einen wahren Haß gehabt, mich besser zu machen, als ich bin. Und diesen Haß hab' ich noch. Und so sag' ich dir denn, das mit den Kindern, mit meiner süßen kleinen Heth, die wie der Vater
    aussieht und doch gerade so lacht und so fahrig ist wie die Frau Mama, nein, Riekchen, das mit den Kindern, das trifft mich nicht.«
    »Und bist doch ohne Blick und ohne Abschied gegan-
    gen.«
    »Ja, das bin ich, und ich weiß es wohl, manch andre hätt' es nicht getan. Aber wenn man auf etwas an und für sich Trauriges stolz sein darf, so bin ich stolz darauf. Ich wollte gehn, das stand fest. Und wenn ich die Kinder sah, so konnt' ich nicht gehn. Und so hatt'
    ich denn meine Wahl zu treffen. Ich mag eine falsche Wahl getroffen haben, in den Augen der Welt hab'
    ich es gewiß, aber es war wenigstens ein klares Spiel und offen und ehrlich. Wer aus der Ehe fortläuft und aus keinem andern Grund als aus Liebe zu einem
    andern Manne, der begibt sich des Rechts, nebenher
    auch noch die zärtliche Mutter zu spielen. Und das ist die Wahrheit. Ich bin ohne Blick und ohne Abschied
    gegangen, weil es mir widerstand, Unheiliges und
    Heiliges durcheinanderzuwerfen. Ich wollte keine
    sentimentale Verwirrung. Es steht mir nicht zu, mich meiner Tugend zu berühmen. Aber eines hab' ich

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    wenigstens, Riekchen: ich habe feine Nerven für das, was paßt und nicht paßt.«
    »Und möchtest du jetzt sie sehen?«
    »Heute lieber als morgen. Jeden Augenblick. Bringst du sie?«
    »Nein, nein, Melanie, du bist zu rasch.
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