Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Blut.
    Ich bin aber nicht van der Straaten und führe keine Generositätskomödien auf. Am wenigsten auf meine
    Kosten.‹ Und dabei warf er mir de haut en bas eine
    Kußhand zu und ging aus dem Zimmer.
    Und was tat ich? Ach, meine liebe Melanie, nichts.
    Ich habe nicht einmal geweint. Und nur erschrocken
    war ich. Denn ich fühle, daß er recht hat und daß

    170
    eine sonderbare Neugier in mir steckt. Und darin
    treffen es die Bibelleute, wenn sie so vieles auf unsere Neugier schieben... Elimar, der freilich nicht mit zu den Bibelleuten gehört, sagte mal zu mir: ›Das
    Hübscheste sei doch das Vergleichenkönnen.‹ Er
    meinte, glaub' ich, in der Kunst. Aber die Frage beschäftigt mich seitdem, und ich glaube kaum, daß es sich auf die Kunst beschränkt. Übrigens hat Gryczinski noch in diesem Winter oder doch im Frühjahr
    eine kleine Generalstabsreise vor. Und dann seh' ich Dich. Und wenn er wiederkommt, so beicht' ich ihm
    alles. Ich kann es dann. Er ist dann immer so zärt-
    lich. Und ein Blaubart ist er überhaupt nicht. Und bis dahin Deine
    Jacobine.«
    Melanie ließ das Blatt fallen, und Rubehn nahm es
    auf. Er las nun auch und sagte: »Ja, Herz, das sind die Tage, von denen es heißt, sie gefallen uns nicht.
    Ach, und sie beginnen erst. Aber laß, laß. Es rennt sich alles tot und am ehesten das.«
    Und er ging an den Flügel und spielte laut und mit
    einem Anfluge heiterer Übertreibung: »Mit meinem
    Mantel vor dem Sturm beschützt' ich dich, beschützt'
    ich dich.«
    Und dann erhob er sich wieder und küßte sie und
    sagte: »Cheer up, dear!«

    171
    20

Liddi
    »Cheer up, dear«, hatte Rubehn Melanie zugerufen,
    und sie wollte dem Zurufe folgen. Aber es glückte
    nicht, konnte nicht glücken, denn jeder neue Tag
    brachte neue Kränkungen. Niemand war für sie zu
    Haus, ihr Gruß wurde nicht erwidert, und ehe der
    Winter um war, wußte sie, daß man sie, nach einem
    stillschweigenden Übereinkommen, in den Bann ge-
    tan habe. Sie war tot für die Gesellschaft, und die tiefe Niedergedrücktheit ihres Gemüts hätte sie zur Verzweiflung geführt, wenn ihr nicht Rubehn in dieser Bedrängnis zur Seite gestanden hätte. Nicht nur in herzlicher Liebe, nein, vor allem auch in jener
    heitren Ruhe, die sich der Umgebung entweder mit-
    zuteilen oder wenigstens nicht ohne stillen Einfluß auf sie zu bleiben pflegt. »Ich kenne das, Melanie.
    Wenn es in London etwas ganz Apartes gibt, so heißt es, ›it is a nine-days-wonder‹, und mit diesen neun Tagen ist das höchste Maß von Erregungsandauer
    ausgedrückt. Das ist in London. Hier dauert es etwas länger, weil wir etwas kleiner sind. Aber das Gesetz bleibt dasselbe. Jedes Wetter tobt sich aus. Eines
    Tages haben wir wieder den Regenbogen und das
    Fest der Versöhnung.«
    »Die Gesellschaft ist unversöhnlich.«
    »Im Gegenteil. Zu Gerichte sitzen ist ihr eigentlich unbequem. Sie weiß schon, warum. Und so wartet

    172
    sie nur auf das Zeichen, um das große Hinrichtungs-
    schwert wieder in die Scheide zu stecken.«
    »Aber dazu muß etwas geschehen.«
    »Und das wird. Es bleibt selten aus und in den milderen Fällen eigentlich nie. Wir haben einen Eindruck gemacht und müssen ehrlich bemüht sein, einen
    andern zu machen. Einen entgegengesetzten. Aber
    auf demselben Gebiete... Du verstehst?«
    Sie nickte, nahm seine Hand und sagte: »Und ich
    schwöre dir's, ich will. Und wo die Schuld lag, soll auch die Sühne liegen. Oder sag' ich lieber, der Ausgleich. Auch das ist ein Gesetz, so hoff' ich. Und das schönste von allen. Es braucht nicht alles Tragödie zu sein.«
    In diesem Augenblicke wurde durch den Diener eine
    Karte hereingegeben: »Friederike Sawat v. Sawatzki, genannt Sattler v. d. Hölle, Stiftsanwärterin auf Kloster Himmelpfort in der Uckermark.«
    »Oh, laß uns allein, Ruben«, bat Melanie, während
    sie sich erhob und der alten Dame bis auf den Vorflur entgegenging. »Ach, mein liebes Riekchen! Wie mich
    das freut, daß du kommst, daß du da bist. Und wie
    schwer es dir geworden sein muß... Ich meine nicht
    bloß die drei Treppen... Ein halbes Stiftsfräulein und jeden Sonntag in Sankt Matthäi! Aber die Frommen,
    wenn sie's wirklich sind, sind immer noch die Besten.
    Und sind gar nicht so schlimm. Und nun setze dich,
    mein einziges, liebes Riekchen, meine liebe, alte

    173
    Freundin!« Und während sie so sprach, war sie be-
    müht, ihr beim Ablegen behilflich zu sein und das
    Seidenmäntelchen an einen Haken zu hängen, an
    den die Kleine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher