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Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Titel: Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Autoren: Sabine Reiff
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PROLOG

    Nachts
     
    Die Kühle der Nacht durchfloss die Formlosigkeit seines Körpers. Es war Herbst. Die Zeit des Jahres, in der sich Sommer und Winter für wenige Wochen vereinigten. Sie beherbergte noch einen trügerisch warmen, fast zarten Hauch, doch die Kälte des Winters, die schon bald mit eisigen Klauen das Leben umschlang, würde folgen.
    Ein wenig erinnerten ihn diese Nächte an ihn selbst. Er ließ sich in der Strömung des sanften Winds treiben.
    Sein Körper mochte ein Teil der Dunkelheit sein, aber seine Sinne waren geschärft. Er war auf der Jagd; er brauchte Nahrung, die ihm genügend Kraft gab, die Tage in menschlicher Gestalt zu überstehen. Und er benötigte die nächsten Wochen Kraft, wollte er sein Ziel erreichen. Er witterte in das ihn umgebende Schwarz hinein. Die Dunkelheit glich einem reich gedeckten Tisch, denn sie offenbarte ihm die Gefühle der Menschen.
    Ihre Träume. Ihre Ängste. Ihre geheimsten Wünsche.
    Jeder menschlichen Emotion haftete ein ureigener Geruch an. Angst besaß einen brennend ätzenden Nachgeschmack und war wenig bekömmlich. Und Neid, Missgunst und Hass wurden von der Bitterkeit überlagert, die sie in dem jeweiligen Menschen auslösten. Diese Gefühle machten zwar nicht satt, aber sie halfen gegen das dringlichste Verlangen. Am nahrhaftesten waren reine, unschuldige Empfindungen wie Liebe, Glück und Zufriedenheit und so verführerisch dufteten sie auch. Manchmal blumig und leicht, manchmal süß und schwer, manchmal nach Sonne und Wind und ganz selten verströmten sie den unbefleckten Duft von frisch gefallenem Schnee. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt diesen Geruch wahrgenommen hatte. Es musste eine Ewigkeit her sein. Dieser Duft war nur den Gefühlen sehr wenigen Menschen vorbehalten und diese Geschöpfe waren etwas Besonderes.
    Er fühlte, wie der Hunger nach Emotionen von seiner körperlosen Hülle Besitz ergriff. Sein Geist steuerte eine alte, ausladende Eiche, hoch oben auf dem Bergkamm, an. Der Wind hatte merklich aufgefrischt und zerrte in kräftigen Böen an den Wipfeln der Tannen des gegenüberliegenden Hangs.
    Sein Blick glitt das Tal entlang. Es war etwa sechs Kilometer lang und gut einen halben Kilometer breit und wurde von einem kleinen Wildbach geteilt. Am unteren Ende lag eine heruntergekommene Mühle, danach öffnete es sich in eine weitläufige Wiesenlandschaft. Die Einheimischen mieden diesen Ort, denn um ihn rankten sich seit jeher dunkle Geschichten. Für ihn hingegen war es zu einer Art Lieblingsplatz geworden. Ein Stück oberhalb schmiegte sich ein verschlafenes Städtchen gegen die sanft ansteigende Hügelseite, an dem die letzten Jahrzehnte offensichtlich spurlos vorbeigezogen waren.
     
    Er beobachtete, wie nach und nach die Lichter in den Häusern erloschen. Nicht mehr lange und seine Stunde war gekommen. Dann würde er sich ganz nach Incubusart in die Träume seiner Opfer schleichen. Doch zuvor musste er seine dämonische Gestalt annehmen. Nur so ließ sich die volle Kraft seiner Sinne entfalten, die er benötigte, damit er für diese Nacht die richtige Wahl traf.
    Er glitt zu Boden. Ein Paar wachsame, goldgrüne Augen suchten die Umgebung nach ungebetenen Gästen ab. Er konnte nichts Verdächtiges entdecken. Das Gemisch aus Tannennadeln, Blättern und Waldboden begann, während seiner Verwandlung leise unter seinen blanken Fußsohlen zu knistern. Die Momente, in denen er sein wahres Äußeres zeigte, waren für ihn gefährlich, da seine gut zweieinhalb Meter aufragende, bläulich-weiß schimmernde Gestalt in der Dunkelheit weithin sichtbar blieb. Zwar gerieten die meisten Menschen vor seinem halb menschlichen, halb tierischen Äußeren in Panik und flohen. Doch es änderte nichts an den Tatsachen: Wer die entsprechende Macht besaß, konnte ihn in dieser Schutzlosigkeit leicht bannen. Danach war er ein willenloses Spielzeug. Von dem mächtigen Incubifürsten Gelal würde danach nichts bleiben, als ein dämonischer Lakai. Momentan bestanden seine Pflichten darin, Seelen für die Legionen der Zweiundsiebzig zu rekrutieren und die Höllische Brut aufrecht zu halten, indem er sich mit auserwählten Menschenfrauen paarte. Für einen Incubus ein angenehmes Dasein. Gebannt wäre er ein Sklave des Unvollkommenen, eine wertlose Kreatur, die weder zur dunklen Seite noch in die Welt der Menschen gehörte. Er wäre dazu verdammt, dasselbe verachtungswürdige Schicksal zu teilen, das schon viele seiner Art in einem unvorsichtigen
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