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Kussen hat noch nie geschadet

Kussen hat noch nie geschadet

Titel: Kussen hat noch nie geschadet
Autoren: Gibson Rachel
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Champagner am Tisch der Brautleute durch Cidre zu ersetzen. Nach drei Monaten fiel ihre Schwangerschaft noch kaum auf. Die Braut gehörte zu den glücklichen Frauen, die vor Gesundheit nur so strotzten.
    Im Gegensatz zu Autumn. Sie hatte schon ab dem dritten Monat ihre Jeans nicht mehr zugekriegt und an morgendlicher Übelkeit gelitten, bevor sie überhaupt wusste, dass sie mit Conner schwanger war. Dementsprechend blass war sie dann auch gewesen. Und anders als Faith Duffy hatte sie keinen Mann gehabt, der sie umsorgte, ihr die Hand küsste und ihr das Gefühl gab, sicher und geborgen zu sein. Stattdessen war sie ganz allein gewesen, hatte sich krank und elend gefühlt und eine Scheidung durchlitten.
    Auch ohne Sam direkt anzusehen, wusste sie haargenau, wo er saß. War sich seiner breiten Schultern in dem teuren Anzug bewusst und darüber im Bilde, dass das Licht vom Kronleuchter in seinem blonden Haar leuchtete. Als sie unauffällig in den Raum geschlüpft war, hatte sie sich nicht einmal umschauen müssen, um zu wissen, dass er in der vierten Reihe unmittelbar am Gang saß. Sie spürte es einfach. Wie den Spannungskopfschmerz, der sich wie ein Ring um ihre Schläfen legte. Den brauchte sie auch nicht erst zu sehen, um zu wissen, dass er da war. Aber anders als bei den Kopfschmerzen konnte sie gegen Sam LeClaire nichts unternehmen, um ihn wieder loszuwerden.
    Nervös tippte sie mit dem Finger auf die Event-Mappe in ihrer Hand. Natürlich hatte sie gewusst, dass Sam unter den Gästen wäre. Es gehörte zu ihrem Service, dafür zu sorgen, dass die Einladungen rechtzeitig abgeschickt und die Rückmeldungen kontrolliert wurden. Gemeinsam mit der Braut hatte sie die Tischordnung höchstpersönlich festgelegt und Sam mit drei anderen ledigen Eishockeyspielern und diversen großbusigen Playmates an Tisch sieben platziert.
    Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe. Das gefiele ihm sicher.
    Autumns Headset piepste, und sie drehte die Lautstärke leiser, während Ty und Faith ihr traditionelles Ehegelübde ablegten. Die Zeremonie war kurz und schmerzlos, und als der Bräutigam nach seiner Braut griff, hielt Autumn den Atem an. Auch nach den unzähligen Hochzeiten, die sie im Laufe der letzten Jahre organisiert hatte, selbst bei den Paaren, bei denen sie von Anfang an wusste, dass ihre Ehe scheitern würde, hielt sie den Atem an. Sie war zwar nicht die romantischste Frau auf der Welt, aber diesen Bruchteil einer Sekunde wartete sie trotzdem ab. Diesen kurzen magischen Moment, bevor ein Kuss einen Mann für den Rest seines Lebens mit seiner Frau verband.
    Als Tys und Faiths Lippen sich berührten, verspürte sie im Herzen einen leisen Stich. Sie war eine Idiotin. Ungeachtet der Statistiken, ihrer eigenen schmerzlichen Scheidung und der zynischen Stimme in ihrem Kopf glaubte sie noch immer an eine Liebe wie im Märchen.
    Trotz allem.
    Für den Bruchteil einer Sekunde fiel Autumns Blick auf Sams blonden Hinterkopf. Der Ring um ihre Schläfen drückte noch ein bisschen fester, der Schmerz stach jetzt ins rechte Auge, und sie verließ den Saal. Viele Jahre lang hatte sie Sam gehasst. Mit glühender Leidenschaft, aber dieser alles verzehrende Hass raubte ihr zu viel emotionale Energie. Nach ihrem letzten Streit mit ihm hatte sie deshalb zum Wohle ihres Sohnes und ihrer eigenen geistigen Gesundheit beschlossen, sich von ihrer Wut zu verabschieden. Ihren Hass loszulassen. Was leider auch hieß, sich von ihrer Lieblingsfantasie zu verabschieden. Von der, in der ihr Fuß, seine Eier und ein Haken auf sein attraktives Kinn eine tragende Rolle spielten.
    Immerhin hatte sie Sam nie den Tod an den Hals gewünscht, nicht mal eine langfristige Verstümmelung. Sich nie in Fantasien ergangen, in denen sie Sam mit einer Dampfwalze, einem Schwerlaster oder einem Sattelschlepper überrollte. Nein, nichts derart Brutales. Conner brauchte einen Vater, egal, wie beschissen er war, und mit Ausnahme ihrer Eiertritt-Fantasie war sie schlicht und ergreifend kein gewalttätiger Mensch.
    Sich von ihrem Hass zu verabschieden war nicht leicht gewesen. Schon gar nicht, wenn Sam sich mit Conner verabredete und dann absagte. Oder wenn es sein Besuchswochenende war und er stattdessen mit seinen Kumpels irgendwo hinfuhr und Conner das Herz brach. Sie hatte hart daran arbeiten müssen, ihre Wut loszulassen, und war inzwischen ziemlich gut darin, überhaupt nichts mehr für ihn zu empfinden. Aber andererseits hatte sie Sam jetzt seit zwanzig Monaten, zwei
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