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Kussen hat noch nie geschadet

Kussen hat noch nie geschadet

Titel: Kussen hat noch nie geschadet
Autoren: Gibson Rachel
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»Stimmt.« Er schnappte sich seine Anzugjacke und schlüpfte hinein. In der letzten Saison hatte er Veronica in Pittsburgh aufgegabelt. An jenem Abend hatte er gegen die Penguins ein Tor gemacht, aufgrund einer doppelten kleinen Strafe vier Minuten auf der Strafbank abgesessen und sich sein erstes größeres Veilchen der Saison eingehandelt. Vielleicht brachte sie ihm dieses Jahr ja genauso viel Glück. Er griff nach seiner Geldbörse und schob sie in die Gesäßtasche seiner Khakihose.
    »In der letzten Saison war dein schönes Gesicht völlig entstellt«, jammerte Veronica und schlüpfte in ihre Pumps.
    So schlimm war es nun auch wieder nicht gewesen. Nur ein paar Nähte und kleinere Blutergüsse. Während seiner sechzehn Jahre in der NHL hatte er schon Schlimmeres erlebt.
    »Du solltest modeln.«
    »Nein danke.« Vor Jahren hatte er mal Werbung für Diesel-Unterwäsche gemacht und die ganze Prozedur sterbenslangweilig gefunden. Er hatte fast den ganzen Tag im knappen weißen Slip rumgesessen, bis die Crew diverse Sets aufgebaut hatte. Und zum Schluss waren dabei Riesenplakatwände und Anzeigen in Zeitschriften mit Fotos rausgekommen, auf denen sein Sack praktisch raushing und echt gigantisch wirkte. Die Jungs aus der Mannschaft hatten ihn aufgezogen ohne Ende, und seine Mutter hatte sich einen Monat nicht mehr in die Kirche getraut. Nach dieser Erfahrung überließ er das Modeln lieber Typen, denen diese Art von Aufmerksamkeit zusagte. Typen wie Beckham.
    Gemeinsam verließen sie das Schlafzimmer in Sams zentral gelegener Loftwohnung. Im offenen Innenbereich umschmeichelten graue Schatten die Ledermöbel, und das verblassende Sonnenlicht warf matte Muster auf den Holzboden.
    Sam hielt Veronica die Wohnungstür auf und schloss sie hinter sich ab. Als die zwei durch den Gang liefen, schweiften seine Gedanken zu dem Spiel gegen San José in einer knappen Woche. In der letzten Saison waren die Sharks zwar schon in der Vorrunde der Play-offs ausgeschieden, doch das garantierte den Chinooks noch lange keinen Sieg im Eröffnungsspiel dieser Saison. Bei weitem nicht. Die Sharks waren hungrig, und ein paar Chinooks-Spieler hatten in der Saisonpause ein bisschen zu heftig gefeiert. Sam war zugegebenermaßen auch kein Kind von Traurigkeit gewesen, aber nicht allzu fett geworden, und seine Leber war noch in guter Verfassung. Johan und Logan hingegen hatten sich je viereinhalb Kilo Übergewicht angefressen, und Vlad soff wie ein Matrose auf Landgang. Das Kapitänsamt war soeben Walker Brooks verliehen worden. Was keine Überraschung war. Schließlich war Walker in den letzten Jahren schon Ersatzkapitän gewesen.
    »Ich liebe Hochzeiten«, seufzte Veronica, während sie zum Fahrstuhl trotteten.
    Alle gingen davon aus, dass von nun an Alexander Devereaux das A auf dem Trikot tragen würde, doch noch war nichts offiziell. Es hatte so gewisse Andeutungen gegeben, dass Sam das Amt des Ersatzkapitäns übernehmen sollte, aber er hatte nicht angebissen. Er war nicht der Verantwortungsbewussteste, und daran sollte sich nichts ändern.
    Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und die zwei traten ein. »Du nicht?«
    »Was?« Zerstreut drückte er auf den Knopf fürs Foyer.
    »Magst du keine Hochzeiten?«
    »Nicht sonderlich.« Hochzeiten machten ihm in etwa so viel Spaß, wie den Puck in die Eier zu kriegen.
    Schweigend fuhren sie ins Erdgeschoss, und als sie die Lobby durchquerten, bugsierte Sam Veronica mit der Hand im Kreuz zu den zwei schweren Türen aus Glas und Edelstahl. Kaum waren sie aufgeglitten, da wartete am Straßenrand schon ein gelbes Taxi auf sie.
    Er küsste sie zum Abschied. »Ruf mich an, wenn du das nächste Mal in der Stadt bist. Ich will dich wirklich gern wiedersehen«, gab er ihr noch mit auf den Weg und schlug dann die Taxitür zu.
    Neblige Wolken umfingen die sich verdunkelnde Skyline von Seattle. Sam lief zu Fuß bis zur nächsten Ecke und schlenderte die zwei Blocks bis zum Rainier Club in der Fourth Avenue weiter. Der Stadtlärm hallte von den Gebäuden wider, und er betrachtete sich prüfend im Schaufenster. Eine leichte Brise fuhr ihm unters Revers und wehte die blonde Haarsträhne hoch, die ihm in die Stirn fiel. Die feuchtkalte Luft veranlasste ihn dazu, seinen Blazer doch lieber zuzuknöpfen.
    Er konzentrierte sich wieder auf den überfüllten Bürgersteig, und nach kurzer Zeit erblickte er den traditionsreichen, exklusiven Club mit der alten Backsteinfassade und dem gepflegten Rasen, der förmlich nach
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