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Kurzgayschichten

Kurzgayschichten

Titel: Kurzgayschichten
Autoren: E. Meyer
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zu finden, ohne dass ich fragen oder das gesamte Regal abtasten muss. Bei dem großen Supermarkt, in der Nähe meiner Wohnung, ist es wesentlich schwieriger die Dinge wieder zu finden, weil dort fast wöchentlich umgeräumt wird. Deswegen scheue ich den doch recht langen Weg in die Stadt nicht.
    Für mich ist Gewohnheit sehr wichtig, ich hasse die völlige Orientierungslosigkeit, die man mir zuschreibt, dafür fahre ich gerne eine halbe Stunde bis in die Innenstadt und laufe eine weitere bis zu diesem Geschäft.
    Ich schlendere noch an den Obst- und Gemüseregalen vorbei und nehme zwei besonders gut riechende Orangen mit, dann bezahle ich meine Waren, um noch rechtzeitig den letzten Bus zurück nach Hause zu bekommen.
    Gut, mein Leben ist nicht gerade aufregend, aber wer will das schon wirklich?
    Als ich wieder nach draußen gehe, ziehe ich sofort die Handschuhe an und dränge mich durch die Menschenmassen, die genau wie ich den Heimweg antreten.
    Es ist glatt geworden, was mich ziemlich beeinträchtigt, ich komme nur schleppend voran, auch mein Stock gleitet mehr oder weniger unbeholfen über den rutschigen Asphalt.
    Ich spüre wie die Menschen hinter mir zusehends ungeduldiger werden, sich barsch und leise Flüche murmelnd an mir vorbeidrängen.
    Man kann es ihnen nicht übel nehmen, sie haben zu Hause sicher eine Familie, die auf sie wartet, vielleicht muss noch das Abendessen vorbereitet werden, vielleicht wird die Zeit für den alljährlichen Kirchenbesuch auch zu knapp.
    Während ich damit beschäftigt bin mir auszurechnen, ob ich den Bus überhaupt noch schaffen kann, werde ich grob an der Schulter angerempelt, sodass ich das Gleichgewicht verliere.
    Ich merke wie mir die Beine wegrutschen, versuche krampfhaft irgendwo Halt zu finden, aber vergebens, zuerst entgleitet mir der Stock, dann schlage ich ungünstig auf dem harten Asphalt auf.
    Ich sehe das Übliche.
    Nichts.
    Und dann ist alles seltsam still um mich herum.
     
    Es fällt mir schwer wieder die Augen zu öffnen und auch wenn ich weiß, dass es keinen Unterschied macht, hebe ich die Lider.
    Ich registriere starke Kopfschmerzen und ein leichtes Pochen in meinem rechten Arm, der mehr und mehr schmerzt, je wacher ich werde.
    Der seltsam beißende Geruch nach Desinfektionsmittel weckt in mir Übelkeit. Ich scheine im Krankenhaus zu sein, wahrscheinlich ein Einzelzimmer, da keine weiteren Geräusche zu vernehmen sind.
    Ernüchtert schließe ich wieder die Augen. Es sah ganz so aus, als dürfte ich Heiligabend im Krankenhaus verbringen. Aufregend.
    Die Tür geht leise, fast schon fragend auf und unsichere, schlurfende Füße bewegen sich langsam auf mein Bett zu.
    Der Gangart nach zu urteilen ein Mann.
    Er zieht sich einen Hocker oder vielleicht auch einen Stuhl an den rechten Bettrand und seufzt leise, sein Aftershave gefällt mir.
    „Herr Marten, sind Sie wach?“ Seine Stimme ist angenehm, aber leicht brüchig.
    Er scheint mir etwas Beunruhigendes sagen zu wollen.
    „Ja, was ist denn passiert?“
    „Ich bin Patrick Kliese, Chirurg und muss Ihnen etwas mitteilen...“
    Während er noch nach Worten sucht, versuche ich mich seelisch schon einmal darauf vorzubereiten, aber außer den Kopfschmerzen und dem pochenden Schmerz im Arm scheint alles noch in Ordnung zu sein.
    „Nun Herr Marten, wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht so recht, wie ich Ihnen das sagen soll, ich habe Ihren Fall gerade erst übernommen ...“ Wieder dieses leicht verzweifelte Seufzen.
    „Sagen Sie es einfach.“ Solange meine Beine und wenigstens ein Arm voll funktionsfähig waren, konnte es so schlimm nun auch nicht sein.
    „Herr Marten, Sie sind blind.“ Seine Stimme klingt so zittrig als würde er tiefen Schmerz empfinden und ich weiß nicht wieso, aber mir ist nach Lachen zumute.
    Er scheint irritiert, reibt sich unsicher über die Jeanshose, so hört es sich jedenfalls an. Als ich mich wieder halbwegs im Zaum habe, versuche ich ihn zu beschwichtigen.
    „Ja, natürlich bin ich blind und das schon seit meiner Geburt, haben Sie den Blindenausweis in meiner Tasche nicht gefunden?“
    „Nein, man sagte mir zwar, dass Sie blind seien, aber ich dachte erst seit dem Unfall ...“, er klingt immer noch leicht verwirrt. „Verzeihen Sie bitte, Sie kommen sich jetzt sicher veralbert vor“, stammelt er kleinlaut und wieder scheint er unruhig über die in Jeans gehüllten Oberschenkel zu streichen.
    „Kein Problem ...“
    Ich stutze kurz. „Es sieht wohl so aus, als ob ich
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