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Kurzgayschichten

Kurzgayschichten

Titel: Kurzgayschichten
Autoren: E. Meyer
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war, haben mich meine Eltern oft beschrieben, aber meine Haarfarbe schwankte immer zwischen einem Haselnussbraun bis Aschblond, als ich älter wurde, war es angeblich dunkelbraun.
    Meine Augenfarbe soll zwischen Grau und Grün liegen, weil ich blind bin, scheinen sie oft milchig, hat mein Vater immer gesagt.
    Wenn man nichts sehen kann, wird das eigene Aussehen aber eigentlich eher nebensächlich.
    Der Vorteil ist, dass man nicht in die abfälligen Gesichter der anderen gucken kann, die einen mustern wie scharfäugige Geier das verendende Tier.
    Der Nachteil ist, dass man leider auch alles andere nicht sehen kann. Dafür riecht und hört man umso besser, auch fühlt man viel intensiver.
    Ich komme also klar, ich bin ja nicht schwer krank oder so.
    Das habe ich, Gott sei Dank, auch meinen Eltern früh genug klar machen können, das letzte was ich wollte, war, mein Leben lang als Last bei ihnen zu wohnen. Deswegen lernte ich recht schnell mich alleine durchzuschlagen, sodass meine Eltern sich ihren großen Traum erfüllen konnten und nach Amerika auswanderten.
     
    Als der Schnee stärker wird, bin ich fast froh, doch den dicken Wintermantel angezogen zu haben.
    Nicht weit von mir weint ein Kind, weil es seinen linken Handschuh verloren hat.
    Ich werde wohl nie Kinder haben, nicht weil ich blind bin, aber die Natur hat es meinen Eltern doppelt heimzahlen wollen, indem der blinde Maulwurf seine Angelrute auch noch ins falsche Ufer hält.
    Ich weiß nicht wieso, aber ich bin schwul, denke ich, es gibt nicht genug Bücher mit Blindenschrift, die von Homosexualität handeln. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich keine Erfahrungen damit gesammelt, ich hatte weder eine Beziehung zu einer Frau noch zu einem Mann.
    Aber ich liebe den herben Geruch von Aftershave, wie es der Kassierer im Supermarkt gleich in der Nähe meiner Wohnung benutzt.
    Ich mag es, wenn dem Paketboten wieder einmal niemand öffnet und er mich per Freisprechanlage höflich bittet ihm zu öffnen.
    Während das süßliche Parfüm vieler Frauen und die hohen Stimmen mich oft stören.
    Auch das unangenehme staccatoartige Klappern der Stöckelschuhe treibt mich schier in den Wahnsinn.
    Das stetige Schlurfen ruhiger Männerfüße im leicht ächzenden Schnee beruhigt mich hingegen regelrecht.
    Ich halte an der leise klackenden Ampel an, sie ist blindenfreundlich gemacht, der Vorteil einer Großstadt wie Hamburg.
    Neben mir wartet ein Pärchen, das sich eng aneinander geschmiegt hat, das verrät das Reiben ihrer Daunenjacken.
    Sie küssen sich, das typische Schmatzgeräusch, dann flüstert er ihr zu, dass sie gut riecht.
    Was ich allerdings nicht bestätigen kann.
    Das leise Piepen der Ampel sagt mir, dass ich die Straße überqueren kann, um endlich den Lebensmittelmarkt zu erreichen, damit ich noch die letzten Zutaten für meine Schokotorte zusammenkriege, mein kleines privates Weihnachtsgeschenk an mich, das ich mir jedes Jahr aufs neue gönne.
    Das ist der Vorteil daran, wenn man Weihnachten allein verbringt, man muss sich nicht um Geschenke bemühen, die im Endeffekt sowieso keinem gefallen.
    Gut, das war nur eine sehr schlechte Ausrede dafür, dass es mich schon bedrückte jedes Weihnachten allein verbringen zu müssen, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.
    Egal ob Blindheit, Einsamkeit oder Hilflosigkeit, es ist erträglich und solange ich laufe und atme wird alles seinen gewohnten Lauf nehmen.
    Es ist für jeden Menschen schwierig sein Glück zu finden, dass man es als Homosexueller auch heutzutage nicht einfach hat und noch mehr Steine in den Weg gelegt bekommt als andere, ist dabei nicht von der Hand zu weisen.
    Wenn man dazu noch blind ist, sollte man Fortuna wohlmöglich ganz aus seinem Wortschatz streichen.
    Keine Sorge, ich bin nicht verbittert, ich habe nur resigniert.
     
    Sobald ich den Lebensmittelladen betrete, lockere ich meinen Schal und ziehe mir die Handschuhe aus, die einladende Wärme ist fast unangenehm gegen die kalten Temperaturen draußen.
    Ich gehe wie gewohnt zu dem Abstellplatz der Einkaufswagen und krame in meiner viel zu tiefen Manteltasche nach einem Euro. Wie immer schiebe ich meinen Wagen den Gang ganz weit rechts entlang. Ungefähr in der Mitte des Ladens befindet sich nämlich eine kleine Unebenheit im Boden, genau hier muss ich rechts abbiegen um die Backzutaten zu finden.
    Ich habe Glück, die Besitzer dieses Ladens sind recht alt und scheuen Erneuerungen, so kann ich mich darauf verlassen die Dinge auch immer wieder
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