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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Autoren: Guenter Broedl
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Sattel schwingen will, habe ich die Qual der Wahl. Ich entscheide mich kurzfristig für einen Kopfschuss durch die rechte Schläfe. Jorge kippt nach vorn und er ist bereits tot, als er über dem Tank seines Motorrads zu liegen kommt.
    Auf dem reich verzierten Rücken seiner Lederjacke steht in Lettern aus Nieten geschrieben, was mit meinem Auftrag unmittelbar im Zusammenhang steht: Junkyard Angels.
    Der Graue und sein compadre sind also nicht nur an ihrer eigenen Blödheit gestorben.
    Als ich die beiden Leichen und ihre Zweiräder im Sand neben der Straße verscharre, geht mir nicht und nicht aus dem Kopf, dass ich meine beiden Engel noch zu Lebzeiten nach dem Weg nach Tres Cruces hätte fragen sollen.
    Jetzt ist es zu spät.

6. TRES CRUCES,
MEXICO

    Der Morgen trifft mich früh und mit voller Wucht. Zuerst kräht im Hof hinterm Haus der Hahn und gibt damit den Startschuss für ein knurrendes, kreischendes und kläffendes Gemetzel, an dem mindestens drei Hunde und ein halbes Dutzend Katzen beteiligt sind. Ziemlich gleichzeitig geht unten in der Küche das Klappern der Töpfe und Pfannen los und Oma ruft mit durchdringender Kommandostimme sämtliche Heiligen an, allen voran die Jungfrau von Guadeloupe.
    Den Grund ihres heiligen Zorns und ihrer Verzweiflung erfahre ich später beim Frühstück: Eines der Kinder hat sich in der Nacht heimlich über ihre makabren Backwaren hergemacht und die Keksdose danach nicht wieder fest verschlossen. Die frohe Kunde über diese kleine Unachtsamkeit hat sich in Tres Gruces’ Küchenschaben-Gemeinde wie ein Lauffeuer verbreitet und la cucaracha, die hierorts mühelos die Länge und Dicke meines Daumens erreicht, feierte daraufhin bei Omas süßen Särgen und kandierten Totenschädeln ein vorverlegtes Totenfest.
    Als ich ziemlich gerädert die Hühnerleiter in den Hof hinuntersteige, sitzen Emilios Kinder mit Freunden aus der Nachbarschaft unter dem Sonnendach und beschäftigen sich auffallend still mit dem Ausschneiden und Bemalen der Gebeine von muertito dem Zweiten.
    „Buenas dias, Señor Smith“, begrüßt mich Lupita.
    „Buenas dias, Lupita“, sage ich, und ein stechender Schmerz in der Magengegend erinnert mich daran, dass es spätestens nach dem Frühstück höchste Zeit wäre, vor Emilio die Karten auf den Tisch zu legen. Es gilt das eventuell folgenschwere Missverständnis aufzuklären, wonach ich ein verrückter John Smith aus den USA sei, der Autogrammkarten von Robert Mitchum verteilt und gegen Honorar Menschen umbringt.
    „¡El loco!“, begrüßt mich Emilio überschwänglich. „¡¿Bue-nas dias! ¡¿Como estás?!“ Er ruft, ohne mich nach meinen frühmorgendlichen Bedürfnissen gefragt zu haben, eine endlos lange Bestellung in die Küche und hat, kaum dass ich mich an einen seiner fünf Tische gesetzt habe, gleich die erste gute Nachricht des Tages parat.
    „Mein Schwager Ernesto hat heute früh den Chevrolet gefunden und ihn in seine Werkstatt abgeschleppt“, berichtet er. „Ernesto glaubt, dass er den Wagen wieder hinkriegt. Es wird vielleicht ein paar Tage dauern, weil er hat im Moment viel zu tun, Dia de los Muertos und so, aber wenn Ernesto sagt, dass er einen Wagen reparieren kann, dann schafft er das auch. In dieser Beziehung kann man sich voll auf ihn verlassen!“
    „Super“, sage ich und muss an den Autofriedhof neben Ernestos Haustür denken. Aber es wäre der denkbar ungünstigste Augenblick, jetzt und in meiner Situation Zweifel an der Kompetenz von Emilios Schwager anzumelden. „Folgendes, Emilio“, sage ich stattdessen. „Ich hab da ein Problem . . . .“
    „Ich weiß“, unterbricht mich mein Wirt und wischt es mit einer großen Geste vom Tisch und aus der Welt. „Aber es gibt kein Problem! Nicht mehr! Senora Regina hat viele gute Autos. Und sie wird dir für die nächsten Tage selbstverständlich eines ihrer Autos leihen. Der Duke wird gleich hier sein, um dich abzuholen. Die Señora erwartet dich. Ich schätze, es gibt viel zu besprechen.“
    „Welcher Duke?“, frage ich matt.
    „Señor Tucker. Er arbeitet für die Senora und alle nennen ihn den Duke.“
    „Verstehe“, sage ich, obwohl das eindeutig nicht der Fall ist. „Und diese Senora Regina? Ich meine, was ist sie für eine Frau?“
    Emilio lässt sich viel Zeit mit der Antwort. Sein Blick schweift über die Kollektion ans Kreuz genagelter und stark blutender Söhne des Herrn, die alle vier Wände seiner cantina schmückt.
    „Es ist gut für Tres Gruces, dass es Senora
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