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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Autoren: Guenter Broedl
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„die Hölle auf Erden.“
    „Und ich könnt Ihnen G’schichten erzählen von den Kameraden dort“, setzt der Herr Josef unbeirrt fort. „Jeder Zweite is irgendwann irgendwo verschwunden, ein paar Mille im Koffer und mit dem Traum vom neuen Glück unter Palmen. Ein paar Jahre drauf waren die Millionen weg, die Freundin weg, aber die Interpol, Herr Kurt, die schlaft ned. Also sind sie in die Legion, weil da war man zumindest fahndungsmäßig aus dem Schneider. Aber für so manchen Kameraden damals waren fünf Monate im Busch schlimmer als fünf Jahr Schmalz, das können Sie mir glauben ...“
    Der Herr Josef fixiert mit starrem Blick einen Punkt am Boden seines Glases. Ich glaube, er sieht Bilder aus der Savanne, die man in Universum nicht zu sehen kriegt.
    „Okay“, sage ich, um ihn aus dem wahrscheinlich blutigsten Kapitel seiner an Niederlagen so reichen Vergangenheit zurück ins Rallye zu holen. „Wir halten also fest: Natürlich ist der Trainer nicht verschwunden. Aber er ist weg. Und das seit drei Tagen. Wir haben vorgestern ein Konzert in Wieselburg gehabt und der Trainer war nicht da. Er is sozusagen unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben. Was absolut nicht seine Art ist. Und deshalb mach ich mir Sorgen. Is doch logisch, oder?“
    „Mhm“, macht der Herr Josef. Dann macht er eine lange Pause, in der er sich die nächste Marlboro anzündet. „Nau, und Weiberg’schichten? Große Liebe? Kleiner Hund? Haben wir ja alles schon erlebt mit dem Herrn Trainer ...“ „Momentan gibt’s da nix, das ich wüsste.“
    „Des sagt gar nix.“
    „In letzter Zeit auf Tournee haben sich jedenfalls weder Beziehungskatastrophen noch herzzerreißende Tiergeschichten abgespielt. Und wenn er über sein Gefühlsleben gesprochen hat, dann war eigentlich immer nur von seiner neu entflammten Liebe zu seinem alten Lenco-Plattenspieler die Rede.“
    Andererseits: Der Trainer redet zwar gern und viel über die Dinge, die zurzeit sein uneingeschränktes bis fanatisches Interesse genießen, von den Frauen aber, die gerade sein Leben bestimmen, erfährt man meist erst, wenn jede Hilfe zu spät kommt. In diesen Krisenzeiten tun sich dann emotionale Abgründe auf, die die berechtigte Frage aufwerfen, ob ein dermaßen zerrütteter Mensch die Verantwortung für das künstlerische, geistige und seelische Wohl einer siebenköpfigen Rock-and-Roll-Kapelle auf seine Dallas-Cowboys-Mütze nehmen sollte.
    „Also wenn das so is“, drängt sich der Herr Josef in meine Überlegungen, „dann is dem Trainer was Unvorhergesehenes passiert. Gesundheitlich zum Beispiel. Oder in der Familie. Oder glauben Sie, er is eventuell entführt worden?“ „Schwachsinn“, sage ich.
    „Sag ich auch“, sagt der Herr Josef. „Aber was ich noch sagen wollt: Wenn wer weg is, Herr Kurt, dann gibt’s da immer wem, der mehr darüber weiß. Die Gitti Kaltenbeck zum Beispiel, die zieht schließlich sein spanisches Hundsviech groß. Oder der blasse Doktor, - Resch oder Dresch? Der is doch ein alter Freund vom Trainer. Was weiß man, vielleicht weiß der was Konkretes?“
    Ich habe Doktor Trash aus gutem Grund noch nicht angerufen. „Sieht gar nicht gut aus, Kurt“, wäre das Erste, das er sagen würde. Und dann hätte er zirka zehntausend Fragen über den jüngsten Stand des von Krisen und Unbill gebeutelten Trainerlebens, die ich alle nicht beantworten könnte. Ich meine: Man kennt zwar seine Mitarbeiter. Aber was weiß man denn wirklich über sie?
    Der Doc mag ja ein Genius am Computer sein, ein weit gereister Mann im Internetz und ein echter Kapazunder, wenn es um die Ergreifung von Serienkillem geht (siehe dazu auch: Kurt Ostbahn: Blutrausch und Kurt Ostbahn: Platzangst), aber er ist leider auch einer der größten Pessimisten und Verschwörungstheoretiker unter der Sonne. Ohne konkreten Hinweis meinerseits würde ich nach unserem Gespräch vor den Trümmern meines bisherigen, halbwegs überschaubaren Weltbildes stehen: Denn dann wurde der Trainer, laut Doc, im Auftrag von CNN von den Triaden nach Universal City entführt, weil ihn Talentescouts des Spirituosen- und Mediengiganten Seagrams für die Idealbesetzung einer Truman-Show-Nachfolgeserie halten; oder aber der Trainer ist ein Außerirdischer, der auf Erden ein Durchschnittsleben als durchschnittlicher Trainer einer durchschnittlich erfolgreichen Rock-and-Roll-Kombo geführt hat, war also - wie das in Spionagekreisen heißt - bisher ein „Schläfer“, der nun zu höheren Aufgaben abkommandiert
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