Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Autoren: Guenter Broedl
Vom Netzwerk:
Mietwagen über den Tresen.
    Ich quittierte auf der Rückseite einer Postkarte, die ein Standfoto aus dem Film Bandido zeigt. Ich trage auf Geschäftsreisen stets ein Dutzend dieser Karten mit Schwarzweißaufnahmen aus Robert-Mitchum-Filmen bei mir und bestätige darauf den Erhalt von Honorarzahlungen etc. mit dem Namen John Smith.
    Das ist ein kleiner Tick von mir, ein Spleen, der mir in den gut zwanzig Jahren, die ich nun schon in diesem Geschäft bin, immer Glück gebracht hat. Robert Mitchum und John Smith, sie begleiten mich sozusagen auf allen meinen Wegen. Es gab keinen einzigen Auftrag, den ich angenommen hätte, ohne zuvor mit Robert und John Rücksprache zu halten. Und wenn wir uns einig sind, dann sind wir zwar nicht unverwundbar, aber kleinkriegen konnte uns in all den Jahren niemand.
    „Señor Smith“, sagte Alfonso weihevoll, nachdem meine Mitchum-Karte in der Tasche seiner Portiersuniform verschwunden war, „¡viva la muerte!“
    „Dein Wort in Gottes Ohr, amigo“, sagte ich zum Abschied und hatte plötzlich das Gefühl, dass Tres Cruces alles andere als eine leichte Übung werden würde.
    Ich meine: Meinen Meisterbrief hab ich mir bereits 1979 in Detroit verdient, als zwei der Werksspionage überführte technische Mitarbeiter eines namhaften Motorenherstellers, die vom Gericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden waren und nun munter weiter Betriebsgeheimnisse an die Konkurrenz verscherbelten, eines Morgens nicht mehr zur Arbeit erschienen, weil sie eine unfreiwillige Reise durch den Leichtmetallhäcksler und gleich im Anschluss daran durch die Alu-Walzanlage unternommen hatten. Ich hatte die beiden mehrfach gewarnt, aber sie wollten nicht hören. Heute fahren sie, in kleinsten Teilen gleichmäßig verteilt, auf zwei Dutzend Karosserien, als schrottreife 79er-Buicks oder verbeulte Chryslers desselben Jahrgangs durch unser Land.
    Was ich damit sagen will: Ich muss mir nicht jeden Tag aufs Neue beweisen, dass ich nicht den Beruf verfehlt habe. Und Tres Gruces roch bereits jetzt, als ich aus der Hotelhalle in den Dunst des frühen Morgens hinaustrat und zu dem mittemachtsblauen Miet-Chevy ging, mehr nach Tod und Verderben als sämtliche Aufträge zusammen, die ich heuer schon zur vollsten Zufriedenheit meiner Kunden hatte erledigen können.
    „¡Vamonos, amigos!“, sagte ich zu Robert und John, als ich die Wagentür aufschloss und mich ans Steuer setzte. Sie haben viele Stunden Zeit, meine Bedenken während der Fahrt nach Tres Gruces zu zerstreuen. Das machen wir immer so. Unser altes Was-wäre-wenn-Spiel. Ich zähle alle erdenklichen Unmöglichkeiten auf. Robert dreht sich einen Reefer nach dem andern, wie schon seinerzeit in Hollywood, hört schweigend zu und kriegt ganz müde, schwere Lider, ehe er zu einer Stellungnahme bereit ist. Die hat dann aber Hand und Fuß. Bei John ist das etwas anders. Er redet wie ein Wasserfall, bemüht Vergleiche aus der griechischen Mythologie, von der er keine blasse Ahnung hat, oder zitiert aus den Fernsehserien und R&B-Hits seiner Jugend. Wenn er dann schlagartig in brütendes Schweigen versinkt, liegt das daran, dass ihm der Scotch in seinem Flachmann auf mysteriöse Weise abhanden gekommen ist.
    Zu diesem Zeitpunkt der Beratungen hab ich aber bereits alle Argumente sorgfältig abgewogen und unsere Entscheidung getroffen.
    „Einverstanden?“, frage ich dann Robert.
    „Okay“, sagt er.
    „Einverstanden, John?“
    „Okay“, sagt er.
    So läuft das bei uns. Ein eingespieltes Team.
    Der Puma, der Adler und die Schlange.

2. TRES CRUCES,
MEXICO

    Alles dreht sich um Lupita und ihre Cousine Rosalita, zwei Totenköpfe und ein Skelett.
    Die Angelegenheit erfordert jede Menge pädagogisches Feingefühl und diplomatisches Geschick. Aber sowohl die Erziehungsberechtigten der beiden Mädchen als auch die nähere Verwandtschaft, also Oma, Opa, Onkel Ernesto und die vielen älteren Geschwister, sind in den letzten Stunden mit ihren Vermittlungsversuchen kläglich gescheitert. Die beiden Mädchen haben sich mit ihren Totenköpfen jetzt in ihre Ecken zurückgezogen und weinen bitterlich.
    Schauplatz der Tragödie ist Emilios cantina, die bis an die niedrige Decke mit Marienbildern, Bierreklamen, vergilbten Familienfotos, bunten Holztieren, getrockneten Chilischoten und Kruzifixen vollgeräumte Lokalität von Tres Cruces. Der 1. November naht und somit der Día de los Muertos, der Tag der Toten, an dem das ganze Land mit seinen Ahnen und Verblichenen eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher