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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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beiden Händen umklammert, als wollte er sich die Klinge wieder herausziehen.
    Florian hockte auf seinem Bett, starrte auf die Leiche seines Vaters und sagte kein Wort.
    Sechs Monate lang mühten sich Polizisten, Ärzte und Psychiater mit dem Buben ab. Dann fing er schön langsam wieder an zu sprechen. Aber nicht über die Nacht in der Mansarde. Florian Stifter wollte und konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sein Vater starb.
    Also war es für die Akten ein Unfall. Ein Selbstfaller im Vollrausch sozusagen.
    Denn mit fast drei Promille Alkohol im Blut kann es sogar einem vernunftbegabten Menschen wie dem Tierarzt Stifter passieren, daß er über sein eigenes Jagdmesser stolpert, ungeschickt fällt und dabei zu Tode kommt.
    Es existiert aber auch eine Aussage von Clementine Stifter, die den Gastgeber der Jagdgesellschaft, den Wurstfabrikanten Raimund Strobl, schwer belastet.
    Im Zustand größter Verzweiflung, und weil die Hinterbliebenen bei solchen Unglücksfällen sehr oft die Schuld nicht beim Verblichenen selbst, sondern bei jemand anderem suchen, äußerte Florians Mutter den Verdacht, der honorige Herr Strobl hätte ihren Florian in jener Nacht sexuell mißbraucht, wäre dabei vom Vater überrascht worden, und im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung hätte Strobl seinen Jagdfreund mit dessen Hirschfänger erstochen.
    Diese Aussage machte Clementine Stifter einmal und nie wieder.
    Raimund Strobl erwies sich als Waidmann mit Herz, indem er der gramgebeugten Witwe den kleinen Ausrutscher verzieh, und nicht nur das: Weil er sich als Gastgeber an dem tragischen Unfall mitverantwortlich fühlte und das Leid lindem wollte, das in seiner Jagdhütte über Frau und Sohn eines Kameraden gekommen war, erhielten Clementine und Florian Stifter eine großzügige monatliche Zuwendung, die ihnen erlaubte, das Haus in Purkersdorf zu behalten und bis zum Krebstod des edlen Spenders im Jahre 1986 ein Leben ohne finanzielle Sorgen zu führen.
    „Und wenn die Drecksau nicht vor der Zeit abgekratzt wär, dann hätte ihn die Frau Clementine bis zu ihrem eigenen Abgang melken können“, fand Donna die würdigen Schlußworte zu Brunners dramatisierter Fassung der Stifter-Akte.
    „Die Wahrheitsfindung hat in unserem Gewerbe nicht immer Priorität“, meinte Brunner nachdenklich und packte die Akte in seine Tasche. „Aber in dem konkreten Fall hat das auch was Gutes gehabt. Wem nutzt schon ein Strobl im Häfen? So hat er wenigstens elf Jahre lang brennt wie ein Luster.“
    Die Reparationszahlungen des Wurstfabrikanten mochten sich zwar auf die Lebensqualität im Hause Stifter ausgewirkt haben, die Schäden im Kopf des Dichters konnten sie nicht beheben. Die sind irreparabel. Und seit Mutter Clementine als Racheengel nicht mehr zur Verfügung steht, weil sie vom Petrus abberufen wurde, geht die Welt des Florian Stifter anscheinend immer mehr aus dem Leim.
    „Eigentlich tragisch“, sagte ich, als Brunner mit dem Abbau seiner Kommandozentrale im Belle de Jour fertig war und noch drei Kaffee bestellte, als Wegzehrung hinaus nach Purkersdorf.
    „Ich weiß, Sie sind ein großer Menschenfreund, Herr Doktor“, sagte Brunner. „Und natürlich is das tragisch, was dem Stifter als Buben passiert is. Aber was er jetzt damit macht, is tragisch für den Auer Wickerl und den toten Piefke und für die Frau Tomschik und für Sie. Und damit endlich Schluß is mit der ganzen Tragik, machen wir uns nach dem Kaffee auf die Socken.“
    „Der tote Piefke heißt übrigens Behrens“, sagte Donna und schickte Brunner einen Giftblick. „Stefan Behrens. Und weil Sie alles so ganz genau wissen, können Sie mir sicher auch sagen, wie das zusammengeht: Der Dichter hat einen schweren Pecker. Okay. Verständlich und tragisch. Die Mama is tot, und ich bin seine neue Rachegöttin. Clementine, die Zweite. Auch okay. Aber warum bringt er plötzlich den Wickerl um und den Steve? Damit hat er doch bei jeder Frau auf alle Ewigkeit ausgeschissen.“
    „Vielleicht war er die vielen Herrenbesuche daheim bei der Mama nicht gewöhnt?“ meldete sich Skocik von der Tür.
    Donna drehte sich nicht einmal um und antwortete ohne Worte. Mit dem ausgestreckten Mittelfinger ihrer rechten Hand.
    Eigentlich wollte Skocik ja nur sagen, daß der Wagen bereit steht und somit der Erstürmung von Rodenstein nichts mehr im Wege.
    „Danke, Skocik“, sagte Brunner, und es klang wie die letzte Verwarnung vor der roten Karte.
    Und während das ungleiche Paar irgendwo in Hör-
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