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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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Schankraum um. In der rechten Hand hält er ein Springmesser und zeichnet mit der Klinge Zickzackmuster in die Luft.
    „Ganz ruhig, Wickerl“, sagt der Herr Josef.“ Ganz ruhig.“ Aber der Wickerl untersteht einem anderen Kommando. Er hat eine Mission zu erfüllen.
    „Ich mach Euch alle kalt“, sagt er und grinst dazu, als würde er uns damit eine ganz besondere Freude machen wollen.
    Niemand sagt was. Der Rudi wimmert leise und macht einen Schritt in Richtung Tür.
    „Dableiben, Depperter!“ zischt der Wickerl.
    Das hätte er nicht tun sollen. Der Rudi, ein eher schlichtes und sanftes Gemüt, läßt sich viel gefallen. Nicht nur vom Wickerl, der ihn seit ihrer gemeinsamen Hauptschulzeit abwechselnd als Blutsbruder, Sündenbock, Verbündeten und Fußabstreifer benutzt. Aber gegen eines ist der Rudi allergisch: Niemand darf auf die Idee kommen, ihn „Depperter“ zu rufen. Da setzt es bei ihm aus. Da sieht er rot. Der Wickerl weiß das. Aber da die Kommandozentrale in seiner Birne momentan fest in der Hand von Zelluloidschurken oder Heavy-Metal-Monstern ist, tappt er ferngesteuert in die Falle.
    Die Kapsreiter-Flasche trifft ihn ohne Vorwarnung. Der Rudi, noch eine Spur blasser im Gesicht als vorhin, zerschlägt sie an Wickerls rechtem Unterarm. Das Messer fliegt durch den Raum, prallt von der Jukebox ab und dreht sich auf dem Steinboden wie ein müder Kreisel. Der Wickerl beobachtet zuerst interessiert den Flug seines Werkzeugs und dann, wie der dunkle Fleck auf seinem rechten Hemdärmel immer größer wird. Bier und Blut.
    „Und jetzt verschwind, und zwar dalli und für immer“, sagt der Herr Josef.
    Langsam weicht die Kriegsbemalung aus Wickerls Gesicht. Als er bei der Tür ankommt und sich noch einmal umdreht, ist er so blaß wie sein einstiger Blutsbruder.
    „Dafür gehst sterben, Rudi. Heut noch“, sagt der Wickerl, reißt mit der unverletzten Linken die Tür auf und stolpert hinaus in die kalte Nacht.

2
    „Wer lang raucht, der lebt lang“, sagt der Herr Josef und hält dem Rudi und mir eine Schachtel Marlboro hin. Der Rudi fischt sich mit zitternden Fingern eine Zigarette aus der Packung. Dann ziehe ich mit zitternden Fingern eine Zigarette aus der Packung. Der Herr Josef gibt uns Feuer und ist die Ruhe selbst.
    „Hundert Mal hab ich Dir schon gsagt, Rudi: Wer einen Freund wie den Wickerl hat, der braucht keine Feinde“, sagt er und schenkt seinem Ziehsohn einen extra großen Scharlachberg ein. Der Rudi nickt und saugt an der Marlboro.
    „Und der Herr Kurt sieht das auch so. Nicht wahr, Herr Kurt?“
    Der nächste überdimensionale Scharlachberg ist für mich.
    „Er is eine Krätzen“, sage ich.“ Aber ich tät meinen, nach dem Flascherl Kapsreiter hat er genug für heute.“
    „Der Wickerl? Nie!“ japst der Rudi nach dem größten Schluck Weinbrand seines Lebens.“ Der kommt wieder und sticht mich ab!“
    „Aber nicht mit dem Feitel und dem blessierten Handerl“, sagt der Herr Josef, während er hinter der Schank hervorkommt, um ächzend das Springmesser vom Boden aufzuheben.
    „Und außerdem: Wir sind auch noch da. Nicht wahr, Herr Kurt?“
    Er klopft dem Rudi im Vorbeigehen aufmunternd auf die Schulter, und der Rudi schaut mich hilfesuchend an.
    Da fällt mir ein, ich muß gehen. Aber dann fällt mein Blick auf den Scharlachberg, und ich lasse mich überreden. Auf einen Schluck, oder zwei.
    „Was war eigentlich da hinten los?“ frage ich.
    „Nix“, sagt der Rudi. „Ich hab nur zu ihm gesagt, daß ich gar nicht genau wissen will, was er mit seiner Mama gemacht hat, weil das eine Schweinerei ist, mit der ich nix zu tun haben will. Und da hat er plötzlich durchgedreht, weil wir immer Zusammenhalten müssen.“
    Der Rudi ist kein begnadeter Erzähler, und der Schock über den Amoklauf seines Kumpels, im Verein mit den Bieren des Abends und dem hastigen Scharlachberg, macht seine Ausführungen nicht schlüssiger. Aber nach zirka zwanzig Minuten weiß ich zumindest so viel:
    Der Wickerl hat vor 14 Tagen einen gröberen Wickel mit den anderen gehabt. Die anderen, das sind der Tobi, der Gschwinde und vor allem die Donna, die eigentlich Elfi heißt und nicht nur eine super Stimme hat. Diese drei und der Wickerl waren, zumindest bis vorletzte Woche, eine sensationell schnelle, laute und geile Band. „Morn & Dead“. Death Metal, Trash Metal, Sex Metal. So genau weiß das der Rudi nicht, er weiß nur, daß die anderen den Wickerl mitsamt seiner Baßgitarre in die Wüste geschickt
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