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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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haben, wegen diverser privater und finanzieller Ungereimtheiten, und das just zu dem Zeitpunkt, als „ Morn & Dead“ einen Plattenvertrag mit einem deutschen Independent-Label in Aussicht hatten.
    Der Wickerl hat keinem Menschen von seinem Hinauswurf erzählt, nur seinem Freund Rudi, der ihm immer die Baßanlage in den Proberaum schleppen durfte und dafür mit dem Titel „ Personal Roadie“ geadelt wurde. Vier Tage lang war der Wickerl dann jedenfalls nicht ansprechbar, war abwechselnd fett, drauf und drüber, und dann plötzlich, am vorletzten Wochenende, hatte er die Erleuchtung. Nach einer visionären Begegnung mit einem Unbekannten in einer Disco in der Innenstadt sah er für sich (und Freund Rudi) den Platz an der Sonne, komplett mit einem Haufen Geld, schönen Frauen und neuen Freunden, die im Unterschied zu den Wapplern von „ Mom & Dead“ auf Bali oder zumindest in Florida überwinterten und nicht vor der Heizsonne im modrigen Proberaum in der Graumanngasse.
    Die Sache hatte nur einen kleinen Haken. Der Platz an der Sonne war zwar bereits reserviert, aber, wie vieles im Leben, nicht gratis. Der Wickerl mußte vor dem großen Umzug noch ein paar Kleinigkeiten erledigen, die wiederum Investitionen notwendig machten. Er brauchte zum Beispiel dringend einen Wagen. Woher nehmen, wenn nicht stehlen. Aber das klappte nicht so ganz.
    Also ging er am vergangenen Dienstag zu seiner Mutter, ließ sich bekochen, beim anschließenden Kaffee über die neuesten Entwicklungen im Forsthaus Falkenau aufklären, und schlug ihr dann das kaputte Transistorradio über den Schädel, um ungestört das Schlafzimmer nach den 20.000 Schilling durchsuchen zu können, die sie für ihr Begräbnis angespart hatte. Als der Wickerl die Wohnung mit dem Geld wieder verlassen wollte, schaute er noch einmal in die Küche, wo die Mutter immer noch bewußtlos am Boden lag. Und da hörte er Motörhead.“ Ace of Spades“. Aus dem Transistorradio, das schon seit Jahren keinen Ton von sich gegeben hatte. Und in diesem magischen Augenblick weiß der Wickerl, daß er auf dem richtigen Weg ist. Ein As, das nichts und niemand aufhalten kann auf seiner Fahrt zum Platz an der Sonne. Auch sein Freund, der Rudi, nicht, den er in sein Geheimnis eingeweiht hat und der jetzt, wo alle Ampeln auf Grün stehen, anhalten und diskutieren, ja vielleicht sogar alles, was er weiß, ausplaudern und aussteigen will.
    „Seit das Radio wieder spielt, ist der Wickerl irgendwie wie wahnsinnig“, sagt der Rudi. „Ich war richtig froh, daß ich ihn die letzten Tage nicht viel gesehen hab. Er redet so komische Sachen. Daß er jetzt weiß, daß der Teufel eine Frau ist. Und daß er sie auf’s Kreuz legen wird. Und dann kauft er sich eine Harley und fährt damit nach Kalifornien und reißt den Guns’n’Roses den Arsch auf mit seiner neuen Band. Vielleicht, vielleicht ist er irgendwie verhext oder besessen von Dämonen? Oder er hat irgendwo das Böse gesehen, und der Leibhaftige ist in ihn hineingefahren. Sowas gibt’s ja.“
    Ich blicke dem völlig verstörten Knaben in die flackernden Augen und sage ihm, was ich in einer solchen Situation immer sage: Daß mir in meiner langjährigen beruflichen Laufbahn als Musikant schon allerhand untergekommen ist und daß ich über die Gefahren, die die elektrisch verstärkte Rock-and-Roll-Musik in sich birgt, sehr wohl Bescheid weiß, daß sie die heranwachsende Jugend aber schlimmstenfalls zum Singen, Tanzen und Springen, maximal zu vorehelichem Geschlechtsverkehr verführt.
    „Den Rock and Roll“, sage ich, „hat weder der Teufel geschickt, noch ist der Luzifer mit Hilfe von Motörhead in den Wickerl gefahren. Der Depp frißt einfach zu viel Speed und ist anscheinend in eine Gesellschaft geraten, die ihm nicht gut tut. Was sind das für Leute?“
    „Weiß nicht“, sagt der Rudi, „aber das Radio ...?“
    „Keine Band der Welt, auch wenn sie noch so finster dreinschaut, sich das Pentagram auf Schwanz und Hirn tätowieren läßt und behauptet, auf des Teufels Spazierstock Gitarre zu spielen, bringt das kaputte Kofferradio einer alten Mutti wieder zum Singen, weil ihr die Rotzpippen von Sohn die Ersparnisse fladert. Vergiß den Schwachsinn, Rudi.“
    „Sehr richtig, Herr Kurt“, meldet sich der Herr Josef, der meine fachlichen Ausführungen mit ständigem Kopfnicken begleitet hat. Dann macht er dem Rudi den Vorschlag, die Nacht auf seiner Wohnzimmercouch zu schlafen. Seine Schwester, die Martha, mit der der Herr Josef
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