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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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auf.
    „Was sind Sie eigentlich für ein Doktor?“ fragt Skocik, schon in der Tür.
    „Önologie“, sage ich.
    „Verstehe“, sagt er.
    Die Tür fällt ins Schloß. Und ich falle nach Einnahme der letzten Aspirin-Vorräte in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

5
    „Servas, Trainer“, sage ich auf den Anrufbeantworter, der mir vor dem Pfeifton lang und breit erklärt hat, daß weder der Trainer noch die Familie mit mir reden wollen, daß ich aber jederzeit eine Botschaft auf Band sagen oder faxen darf.
    „Servas, Kurtl“, keucht der Trainer, der anscheinend doch mit mir reden will. „Ich bin ziemlich im Streß. Was gibt’s?“
    „Einen Toten.“
    „Weiß ich. Roscoe Erheart. Slide- und Dobrospieler bei den Hill County Ramblers. Verkehrsunfall auf dem Weg zu einem Gig in Lubbock, Texas. Tragisch.“
    „Ich erhöhe auf zwei Tote“, sage ich.
    „Interessant“, sagt der Trainer nach einer kurzen Nachdenkpause. Daß ihm der Tod eines Musikanten entgangen sein könnte ist ihm gar nicht recht. Sein Informationsvorsprung geht ihm über alles.
    In seiner Funktion als musikalischer Betreuer, Seelenmasseur und Rock-and-Roll-Nachschlagwerk auf Beinen ist er seit zehn Jahren bei jedem Konzert mit dabei und nimmt seinen Job dermaßen ernst, daß ihn in der Chefpartie längst niemand mehr mit seinem Namen anredet. Der Trainer ist der Trainer. Und wenn Sie mich jetzt auf die Schnelle fragen, wie er wirklich heißt, ich müßte ganz lang nachdenken und dann wahrscheinlich passen. Ich glaube ja außerdem, wenn er von einer Tournee heimkommt, bringen ihn Frau und Kinder erst wieder auf die Idee, daß er nicht Trainer heißt und auch einen Vornamen hat. Irgendwas aus dem Nibelungenlied. Nicht gerade Siegfried, aber fast so schlimm.
    „Wen hat’s noch erwischt, und vor allem wann?“ sagt er, einen leisen Anflug von Hoffnung in der Stimme, ich würde ihm einen bereits vor Monaten Verblichenen auftischen, dessen Nachruf, komplett mit Eckdaten und Discografie, er mir jetzt triumphierend runterbeten könnte.
    „Ludwig Auer. Genannt Wickerl. Vormals Bassist bei ‘Mom & Dead’. Ums Eck gebracht heute Nacht bei mir ums Eck in der Sechshauser Straße.“
    „Wie heißt die Combo? Mom & Dad? Wie Mamas & Papas?“ ringt der Trainer um Kompetenz.
    „Fast. Nur daß die Mama Alleinerzieherin weil verwitwet ist“, sage ich.
    „Interessant“, sagt der Trainer, und das Klicken seines Zippo-Feuerzeugs macht die Pause nicht weniger peinlich. Ich mache dem grausamen Spiel ein Ende, indem ich dem Trainer meinen nächtlichen und frühmorgendlichen Alptraum in Kurzfassung durchgebe und ihn auf ein Bier beim Quell einlade.
    „Grauslich“, sagt er und meint, so wie ich ihn kenne, nicht das Bier. Dann hustet er in den Hörer, hält hustend Rücksprache mit seiner Frau und verspricht schließlich, in spätestens einer Stunde im Gasthaus Quell zu sein, maximal in eineinhalb, denn er muß vorher noch zum Billa , Katzenfutter, Cola und Hühnerschnitzel fürs Abendessen besorgen, und außerdem erwartet er einen dringenden Rückruf vom Kohlen-Güntl, unserem Ton- und Zahlmeister.
    Der Trainer ist, wie gesagt, der Trainer, und der ist unbezahlbar. Aber er hat (mindestens) ein großes Problem: Er ist nicht wirklich flexibel und ständig pleite. Was mit seiner Lebensführung in den spielfreien Monaten Zusammenhängen könnte. Da verbringt er die Tage nämlich damit, die hart verdiente Gage in Tonträgern, Videocassetten, Büchern und Zeitschriften anzulegen, und die Nächte, diese Anschaffungen - vorzugsweise simultan - zu konsumieren. Wenn dann die Einnahmen aufgebraucht sind (und das geht rasend schnell), verbringt er die Tage und Nächte damit, seinen Computer mit den eventuell gewonnen Erkenntnissen seiner Studien zu füttern und dem Kohlen-Güntl Vorschüsse auf die nächste Tour aus dem Bauch zu leiern. Denn seine Forschungsarbeit, argumentiert der Trainer, muß weitergehen, darf nicht an Profanem wie einem gesperrten Girokonto oder einer am Hungertuch nagenden Familie scheitern.
    Die drei Themenkreise, die er unermüdlich und im Dienste der Chefpartie beackert, sind: Musik, Mord und Totschlag. Wenn die neue Spielsaison naht, weiß der Trainer nicht nur absolut Bescheid über Kondition, Spielerwechsel und Taktik sämtlicher um den Meistertitel mitspielenden Combos des In- und Auslandes, er verwöhnt uns während der stundenlangen Busfahrten auch mit verwirrenden Inhaltsangaben von Dirty-Harry-Filmen, James-Ellroy-Romanen oder
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