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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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seit seiner Scheidung auf Zimmer-Küche-Kabinett zusammenlebt, wird schon nix dagegen haben, daß so ein fescher junger Bursch unter ihrem Dach nächtigt.
    „Im Gegenteil“, sagt der Herr Josef und lacht.“ Und sicher ist sicher.“
    Während er und der Rudi im Rallye die Ordnung wieder hersteilen, kehre ich zum eigentlich Grund meines Besuches zurück, dem kleinen, mittlerweile warmen Bier und seinem ständigen Gefährten, dem großen Fernet.
    „Was machen wir damit?“ sagt der Rudi. Er kommt mit einer speckigen Lederjacke aus dem Hinterzimmer. „Da ist alles drinnen. Das Geld, seine Schlüsseln ...“
    „Pech fürn Wickerl“, sagt der Herr Josef.“ Wir haben schon zu. Niemand mehr da.“
    Der Rudi lacht.
    „Genau. Sperrstund.“

3
    Was macht der Musikant, wenn er nicht musiziert, wenn er vier, fünf Monate Urlaub bekommt von den Kollegen und dem Publikum?
    Ich kann nur für mich selber sprechen, tue das mit bald drei Jahrzehnten Erfahrung im Rücken, und die schaut so aus: Der Musikant wartet drauf, daß die Kollegen aus dem Urlaub zurückkommen und das Publikum wieder in die Schutzhäuser, Konzerthallen, Fußballstadien strömt. Die Wartezeit überbrückt er mit Krankheit, über- und regelmäßigem Alkoholkonsum, daraus resultierenden Depressionen und dem Abfassen von Liedern, die davon handeln, daß das Leben auf Tournee ein Trauerspiel ist, das Leben ohne Tournee aber schlicht menschenunwürdig.
    Der Refrain noch eines Liedes zu diesem tristen Thema kriecht in mir hoch, als ich fröstelnd vor dem Rallye stehe und dem Fiat nachschaue, mit dem der alleinstehende Herr Josef den alleinstehenden Rudi heim zur alleinstehenden Frau Martha chauffiert, die sich und den beiden Mannsbildern ein ordentliches Frühstück hinstellen wird, bevor sie um halb acht zum Herzmansky fährt, wo sie seit 15 Jahren Handtaschen verkauft.
    Ich hab nur eine Dose Löskaffee und eine Katze, die vor drei Wochen mit Sack und Pack ausgezogen ist, ohne ihre neue Adresse zu hinterlassen. Dafür muß ich nicht schon um sieben frühstücken.
    So oder so ähnlich, nämlich in Reimen, müßte noch ein Lied über die schönste, weil spielfreie Zeit des Jahres beginnen.
    Aber dann stört die Blutspur auf dem Gehsteig den kreativen Fluß meiner Gedanken. Sie beginnt vor der Eingangstür des Rallye und führt das Trottoire der Sechshauser Straße entlang in meine Richtung. Ich folge den im blassen Licht der Straßenbeleuchtung dunkel glänzenden Tropfen und Flecken. Der Wickerl war auf den ersten Metern flott unterwegs oder hat nur wenig Blut verloren. Dann, vor der Buchhandlung, hat er eine Pause eingelegt und eine tellergroße Pfütze hinterlassen. Er sieht sich im Schaufensterlicht, vor dem Hintergrund der rotschwarzen Stephen-King-Auslage, seinen von Kapsreiterscherben zerschnittenen Unterarm an. Schock. Panik. Rennen. Bis vor zum Optiker nur ein paar kleine dunkle Flecken auf dem Asphalt. Und dann das Paar Cowboystiefel aus Schlangenleder-Imitat. Es ragt aus der mit Herbstlaub und Brillenfassungen dekorierten Passage, und die ramponierten Stiefelspitzen zeigen in den Novemberhimmel.
    Der Wickerl sieht aus, als hätten zehn Leute, die sich ungern „Depperter“ schimpfen lassen, vom Leibhaftigen die Erlaubnis gekriegt, an ihm all ihre Wut und ihren Haß auszulassen.
    Ich deponiere das Puten-Cordon-bleu, mit dem ich mich am frühen Abend verwöhnt habe und das so mancher Fernet und Weinbrand in den Stunden danach zu einer dunkelbraunen Sauce verarbeitet haben, auf der nächstbesten Kühlerhaube. Dann werfe ich noch einen Blick auf das blutige Bündel, das von Wickerl, der Krätzen, übrig geblieben ist und wünsche mich ganz weit weg.
    Stammersdorf, Nairobi, Sioux City. Oder auf Tournee, wo einem sowas nicht passiert.

4
    Tamara ist schön wie immer. Aber die aufgeschlagenen Knie passen nicht so recht zu den roten Pumps und den Strümpfen mit Naht.
    Seit unsere kurze aber heftige Affäre nach Intervention ihres Gemahls vorüber ist, sehe ich die unternehmungslustige Rechtsanwaltsgattin nur noch in meinen Träumen. Das aber fast täglich und immer in der Zeit vor dem Aufwachen.
    Heute trägt Tamara ein rückenfreies Modellkleid, das sie in Mailand zum Preis eines Mittelklassewagens erstanden hat, und sie ist gesprächiger als sonst. Ihre blutigen Knie, meint sie, hätten nichts mit ihr zu tun, sondern mit mir und der letzter Nacht. Und während sie sich aus ihrem sündhaften Kleid schält, hält sie mir einen Einführungsvortrag über
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