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Kurt Ostbahn - Blutrausch

Kurt Ostbahn - Blutrausch

Titel: Kurt Ostbahn - Blutrausch
Autoren: Guenter Broedl
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kleinen kosmetischen Operationen an der Fassade den perfekten Drehort einer Fernsehserie mit sensationellen Einschaltquoten abgeben würde.
    Ich trete vor dem hölzernen Gartentor auf die Bremse. Der Wagen hält tatsächlich an. Dann drehe ich den Zündschlüssel um. Und der Motor säuft tatsächlich ab.
    Ich glaube ja, Brunner hat mich und nicht Donna mit dem Fahren betraut, um mich zu beschäftigen. Damit ich nicht etwa auf die Idee komme, bei voller Fahrt aus dem Wagen zu springen, weil man einen Sprung in den Straßengraben statistisch eher überlebt, als die Einladung in das Haus eines wahnsinnigen Mörders.
    „Geschafft“, sage ich.
    „Ich hab Schiß und soll mir nicht anmerken lassen, daß ich Schiß hab. Wie macht man das?“ fragt mich Donna.
    „Du machst das ganz ausgezeichnet“, sage ich.
    Dann steigen wir aus.
    Die Festbeleuchtung hat was Beruhigendes. Rodenstein strahlt, als fände heute der örtliche Jägerball statt, oder ein Bankett der Tierärzteschaft.
    Was aber gleichzeitig so beunruhigt, ist diese Stille. Nur Regen und Stille.
    „Nach Ihnen, Gnädigste“, sage ich zu Donna und lasse ihr, ganz Kavalier der alten Schule, den Vortritt. Sie stöckelt durch den morastigen Boden zum Gartentor. Dabei flucht sie leise vor sich hin. Und ich liebe sie dafür.
    Ihre herbe Kritik am Leben im allgemeinen, ganz besonders aber an diesem Scheißregen und den Scheißstraßen in diesem Scheißkaff, die einem die Scheißschuhe ruinieren, die ein Scheißgeld gekostet haben, macht die lähmende Stille um uns herum einigermaßen erträglich.
    Im Vorbeigehen tritt Donna dem weißen Citröen gegen die Radkappe. Und ich, auch nicht feig, radiere mit dem Nagel des kleinen Fingers über den Lack der Kühlerhaube.
    Natürlich ist die Scheißkarre unschuldig und kann nix dafür, daß sie einen Besitzer hat, der in ihr seit bald einer Woche in meinem Revier auf Menschenjagd geht, aber an irgendjemand muß man in einer solchen Ausnahmesituation sein Mütchen kühlen dürfen.
    Am Tor gibt es keine Gegensprechanlage, nur eine Klingel über dem alten Messingschild: Dr. Konrad Stifter. Tierarzt. Ordinationszeiten.
    „Läuten oder was?“ klappert Donna mit den Zähnen.
    Ich tippe das Gartentor mit einem Finger an, und es schwingt langsam auf.
    „Is eh offen“, sage ich.
    Ein Garten im November ist kein besonderer Anblick. Aber der Garten des Dichters ist das auch zur Zeit der Baumblüte nicht. Seit seine Mutter tot ist, hat sich hier niemand mehr um das Wohlergehen der Fauna gekümmert.
    Wir gehen den schmalen, mit Steinplatten ausgelegten Pfad durch Gestrüpp und Wildwuchs zum Haus.
    Über dem Eingang hängt ein beleuchteter Sechsender. Die Tür hat eine Hirschhornklinke. Und wer, wie wir, auf Rodenstein Einlaß begehrt, der zieht an einem Glockenseil mit Hirschhorngriff.
    Dieser Dr. Stifter muß mit Leib und Seele Waidmann gewesen sein.
    Und der kleine Florian, das konnte man dem Akt über den angeblichen Jagdunfall entnehmen, war Papas größter Fan.
    Als Florian neun Jahre alt war, erfüllte ihm der Herr Papa dann seinen allergrößten Wunsch: Der Bub durfte mit zur Jagd. Kein Sonntagsausflug in die Wälder, das kannte er schon von Kleinauf. Nein, an diesem langen Wochenende um den Nationalfeiertag des Jahres 1975 ging es von Freitag bis Sonntag in die Gegend von Reichenau an der Rax.
    Ein Jagdfreund namens Raimund Strobl, Fleisch- und Wurstwarenfabrikant in Neunkirchen und ein ziemlich hohes Tier in der niederösterreichischen Landespolitik, hatte Vater und Sohn zu seiner traditionellen Pirsch geladen.
    Strobls Jagdgesellschaft war ein exklusiver Zirkel. Männer aus Juristerei, Medizin und Politik frönten in Strobels Revier ihrer Leidenschaft und feierten in seiner Jagdhütte bis in die späte Nacht hinein ihr Waidmannsglück.
    Gegen zwei Uhr früh des 25. Oktober becherte nur noch der harte Kern der Herrenrunde in Strobls Stube. Ein Scheidungsanwalt aus Wien, ein hochdekorierter Oberst a.D. des Bundesheeres und Dr. Konrad Stifter.
    Der Rest der Jagdgesellschaft war bereits zu Bett gegangen.
    Laut Aussage seiner beiden Trinkkumpanen hörte Stifter einen Schrei und dann das Wimmern seines Sohnes, der oben in der Mansarde schlief, und wollte kurz nachsehen, was mit dem Buben los sei.
    Aber der Tierarzt kam nicht wieder. Der Anwalt und der Oberst fanden ihn und Florian eine dreiviertel Stunde später.
    Stifter lag tot auf dem Boden der Mansarde. Sein Jagdmesser steckte in seiner Brust, und Stifter hielt den Griff mit
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