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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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rechts, bitte.»
    Ich hatte mir die Karte der Grubenanlage angesehen und wusste daher, dass dieser Schacht tatsächlich beim Einsturzgebiet endete. Der linke Schacht dagegen führte nach ein paar Kilometern in der Nähe der Plörre wieder ans Tageslicht.
    Unter beiden Schächten verlief ein kilometerlanges Netz von Höhlen und Förderschächten, die bis an die Erzablagerungen reichten. Der Eingang zu diesem Höhlennetz lag im Keller einer der Aufbereitungshallen. Auch auf diesem Weg könnten wir versuchen, nach oben zu kommen, wenn es mir gelang, Kivinen zu überwältigen. Falls es mir gelang. Der Hass, der in seinen Augen flackerte, machte mir Angst. Ich zwang mich, nur auf das Gelände und auf Kivinens Bewegungen zu achten, zwang meine Beine, trotz des Zitterns weiterzugehen.
    Der Schacht fiel jetzt deutlich nach unten ab. An den Wänden glänzte Kupferkies, der Boden wurde feuchter, von den Wänden rieselte Wasser herunter. Der Gang war hier schmaler, vielleicht zwei Meter breit. Das Leitseil hatte schon weiter oben aufgehört, aber an der rechten Wand hingen noch die Nägel, an denen es befestigt gewesen war.
    «Ich dachte, Merittas Selbsterhaltungstrieb hätte sie gehindert, sich ins Einsturzgebiet vorzuwagen», hallte Kivinens Stimme von den Felswänden.
    «Aber nein, sie hat das Risiko auf sich genommen, ein größeres Risiko, als sie ahnte. Sie hat etwas zu Gesicht bekommen, was nicht für ihre Augen bestimmt war. Ihr beide werdet die Ehre haben, es auch zu sehen.»
    Kivinen und Johnny gingen jetzt fast neben mir. Ich hörte ihren schnellen Atem und konzentrierte mich darauf, mich zu entspannen. Die Waffe hing schwer unter meiner Achsel, aber ich war zu nervös, um sie so schnell zu ziehen, dass Kivinen nicht reagieren konnte. Im Lichtkegel von Johnnys Taschenlampe tauchte gelber Sand auf, dann eine Art Höhle, die mir bekannt vorkam. Das Motiv von Merittas dunklerem Bild!
    Wir erreichten allmählich den Rand des Einsturzgebiets.
    «Halt! Ich will nicht, dass das alles über uns zusammenbricht … noch nicht», sagte Kivinen und lachte. Ob er überhaupt merkte, dass er die Rolle des Schurken in einem zweitklassigen Western abzog? Oder glaubte er wirklich, irgendein Lee Marvin zu sein? Ich versuchte, in die Ecke zu schauen, in die Meritta die kleine, gierige Flamme gemalt hatte, entdeckte aber nichts, was ihr ähnelte.
    «Heute wird etwas passieren, was für ganz Arpikylä und natürlich besonders für mich sehr bedauerlich ist. Die Sprengladungen, die irgendwann in den fünfziger Jahren im Einsturzgebiet gelagert wurden, explodieren überraschend. Bei diesen über vierzig Jahre alten Sprengstoffen weiß man ja nie, die können von ganz allein hochgehen. Wahrscheinlich wird die Explosion dadurch ausgelöst, dass die Ortspo lizeidirektorin Maria Kallio versucht, am Rand des Einsturzgebiets den zweifachen Mörder Jarmo Miettinen zu verhaften. Vielleicht setzt ein Funken aus der Pistole, die Miettinen bei sich trägt, die Zündschnur in Brand. Was mag die beiden wohl ins Einsturzgebiet geführt haben? Das wird für immer ein Rätsel bleiben, denn bei der Explosion werden beide in Stücke gerissen. Gleichzeitig wird ein so erheblicher Teil der Gebäude des Alten Bergwerks zerstört, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann.»
    Es hörte sich an, als ob Kivinen das Exposé zu einem Film vorlas. Welche Rolle hatte er sich selbst in diesem Script zugedacht? Er drehte den Kopf zu der Ecke hin, in der auf Merittas Gemälde die Flamme brannte. Johnny stöhnte auf, als das Licht der Grubenlampe auf die dort aufgehäuften Sprengladungen fiel.
    Das war es also, was Meritta gesehen hatte. Seit Jahrzehnten hielt sich in Arpikylä hartnäckig das Gerücht, im Einsturzgebiet läge tonnenweise Sprengstoff, den die Bergwerksgesellschaft nicht entsorgt hätte. Aber den Gerüchten nach lag das Zeug tiefer unter der Erde. Hatte Kivinen von seinem Vater erfahren, wo der Sprengstoff gelagert war? Hatte er ihn aufgespürt und zum Einsturz gebiet gebracht?
    «Stürzt der Turm auch ein?», fragte ich und war selbst überrascht, wie fest und ruhig meine Stimme klang.
    «Wohl kaum. Vielleicht wackelt er ein bisschen. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass der Explosion auch ein paar Touristen zum Opfer fallen.
    Aber das konnte ich ja nicht vorhersehen. Ich bin nie im Einsturzgebiet gewesen.
    Die Bergwerksgesellschaft hat das Gelände damals abgestützt und die gefährlichen Sprengladungen hier unten liegen lassen.
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