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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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aber seine Augen lachten nicht.
    «Die betrunkenen Autofahrer in Arpikylä sind auf jeden Fall ungefährlicher als die Mörder in der Hauptstadt.» Ich trank den kalt gewordenen Tee aus, sehnte mich nach etwas Stärkerem. Geh jetzt, Johnny, geh, bevor ich was Dummes sage.
    «Wir könnten mal ʹne Jamsession machen, du und ich und Jaska vielleicht», schlug Johnny vor.
    «Meine Finger sind völlig steif. Was Schnelles ist nicht drin.»
    «Wir können auch nichts mehr. Jaska spielt von Jahr zu Jahr schlechter. Der ist seit ein paar Jahren arbeitslos und völlig runtergekommen. Hoffentlich berappelt er sich jetzt, nachdem er den Job im Alten Bergwerk gekriegt hat. Allein hätte er das sowieso nicht zustande gebracht, Meritta hat ihm die Stelle verschafft.»
    «Meritta?»
    «Na, Jaskas Schwester, die Künstlerin, du hast bestimmt in der Zeitung über sie gelesen.» Johnnys Stimme klang seltsam, und wie um das Thema zu wechseln, fing er an, von seinen Kindern zu sprechen.
    Es war fast Mitternacht, als er ging. Mikko im Arm, starrte ich seinem knatternden Nissan nach. Übermorgen bei der Party im Alten Bergwerk würden wir uns wiedersehen, nächste Woche vielleicht Musik machen …
    Ich war unruhig, mochte nicht schlafen gehen, drosch stattdessen das unschuldige Sofakissen durchs Zimmer wie früher den Fußball. Die Katze sah sich das Theater ein paar Minuten lang an und zog es dann vor, durch das offene Fenster auf den Hof zu springen. Schließlich fiel mir nichts Besseres ein, als Antti anzurufen, aber er war nicht in seinem Arbeitszimmer. Eine Frau mit spanischem Akzent erklärte, «Doctoor Saarkjiila» hätte eine Vorlesung. So begnügte ich mich mit einem superstarken Kamillentee. Trotzdem schlief ich erst bei Sonnenaufgang ein.
    Am Freitag merkte ich, dass ich mich auf die Eröffnungsparty am Abend freute.
    Immerhin hatte ich die letzten anderthalb Monate ziemlich solide gelebt: Einmal war ich mit Koivu in Joensuu durch die Kneipen gezogen, und einmal hatte ich einen Abend bei Ella verbracht.
    Mittsommer hatte ich mit meinen Eltern im Sommerhaus gefeiert.
    In der Mittagspause kaufte ich mir zur Feier des Tages neue Spitzenstrümpfe. Als ich an der Würstchenbude vorbeikam, die sich den stolzen Namen Zitty-Kiosk zugelegt hatte, sah ich den neuen Streifenwagen davorstehen. Hopponen und Lasarov saßen im Auto, tranken Milch und aßen Hamburger, und der Motor schnurrte fröhlich vor sich hin.
    Ich konnte nicht vorbeigehen, als hätte ich nichts bemerkt. Ich klopfte auf der Fahrerseite ans Fenster. Hopponens ketchupbeflecktes Gesicht grinste mich an, er drehte die Scheibe herunter.
    «He, Jungs, Leerlauf ist heutzutage verboten … Wie wollt ihr anderen ein Bußgeld aufbrummen, wenn ihr selbst gegen das Gesetz verstoßt», sagte ich und versuchte, meine Verärgerung nicht zu zeigen. In Tapiola hätte ich ein paarmal fast Prügel bezogen, als ich Luftverschmutzer aufforderte, den Motor abzustellen.
    Hopponen schien nicht zu begreifen, was ich meinte.
    «Wir haben doch wohl ein Recht auf unsere Mittagspause », zischte er so heftig, dass ein Stück Hamburger auf meiner Bluse landete. «Klar doch, hab ich nichts gegen. Bloß den Motor solltest du abstellen.»
    «Es ist Leerlauf, wenn er mehr als zwei Minuten im Stand läuft», klärte Lasarov seinen jüngeren Kollegen auf.
    Hopponen verzog seinen runden Mund und drehte den Schlüssel hastig in die falsche Richtung, sodass der neue Saab beleidigt aufheulte. Ich dankte und ging weiter. Wie sie mich jetzt wohl titulierten? Nörgelnde Alte? Blöde Kuh? Oder noch saftiger?
    Wahrscheinlich machte ich mir selbst das Leben schwer. Ich wusste nur zu gut, dass die Jungs auf dem Revier über meine Anstellung nicht gerade gejubelt hatten. In der ganzen Provinz Nordkarelien gab es immerhin eine Vizeortspo-lizeidirektorin und fünf Polizistinnen, aber Frauen bei der Polizei schienen hier noch größere Ausnahmen zu sein als in Helsinki. Die Männer hatten sich durchaus bemüht, höflich zu sein, aber unter der Oberfläche schwelte ein Misstrauen, das von Zeit zu Zeit aufflammte. Man hatte mir gleich im Frühjahr klargemacht, dass ich nicht dazugehörte. Die Mannschaft der Polizeistelle spielte im Sommer finnischen Baseball und im Winter Volleyball gegen die städtischen Angestellten, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Weil ich meine Kollegen besser kennenlernen wollte, hatte ich gesagt, ich würde mitspielen. Es war, als hätte ich im Pausenraum eine Bombe fallen lassen.
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