Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
Schließlich hatte sich Lasarov, der Dienstälteste, ein Herz gefasst und erklärt, auch in der städtischen Mannschaft spielten nur Männer mit guter Kondition.
    «Du kannst gern kommen und uns anfeuern», hatte Lasarov hinzugefügt und gezwungen gelächelt. Ich schluckte die Bemerkung herunter, dass ich es gewohnt war, mitzuspielen und nicht am Spielfeldrand bewundernd zuzugucken.
    Trotzdem waren seit dem Vorfall alle davon überzeugt, die «kleine Kallio» verstünde nicht so recht, was sich für einen Ortspolizeidirektor schickt. Und nun bestätigte ich diese Überzeugung durch meine Nörgelei. Aber die Gleichgültigkeit meiner Kollegen ärgerte mich. Ab und zu überkam es mich, die Welt verbessern zu wollen; in dem Zustand dachte ich sogar daran, die gebrauchten Obsttüten zum Einkauf mitzunehmen. Zurzeit trug ich meinen Müll, brav sor-tiert, in den Saunaofen, in den normalen Mülleimer und auf Onkel Penas Komposthaufen und spürte, wie der Heiligenschein um meinen Kopf wuchs. Natürlich waren die Abgase in Arpikylä ein Klacks gegen den Smog, der zum Beispiel über Chicago hing, aber irgendwo musste ja der Anfang gemacht werden.
    Am Nachmittag hatte ich den Eindruck, dass die Männer mir aus dem Weg gingen. Der Pausenraum leerte sich schlagartig, als ich mir um drei meine Kaffeeration holte. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, in Gedanken war ich schon bei der Party. Als letzte Amtshandlung der Woche hängte ich das Porträt von Ahtisaari, das die Post am Morgen gebracht hatte, über dem Sofa auf, nachdem ich Koivistos Bild abgenommen hatte. Sollte ich das Koivisto-Bildnis meinen Eltern schenken, vielleicht als Wandschmuck für das Plumpsklo beim Sommerhaus? Stand in der Dienstvorschrift, wie mit den Porträts von Expräsidenten zu verfahren war? Koivisto schien die Stirn zu runzeln, als ich ihn fürs Erste in der untersten Schreibtischschublade versteckte.
    Ich hatte mit meinen Eltern ausgemacht, dass ich bei ihnen duschen und mich umziehen würde. Am Morgen war ich mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen, nach der Party wollte ich mir ein Taxi nach Kuusikangas nehmen. Ich machte einen Abstecher ins gegenüberliegende Alkoholgeschäft, bevor ich auf Penas altem, dreigängigem Drahtesel, dessen Kette längst hätte geölt werden müssen, hügelabwärts zu meinem Elternhaus fuhr.
    Der Schlüssel steckte, aber es war niemand zu Hause. Komisch. Meine Eltern waren doch auch zur Eröffnung eingeladen. Allerdings waren es bis dahin ja noch ein paar Stunden. Ich schob den Gin, den ich gekauft hatte, in den Gefrierschrank und verzog mich unter die Dusche. Genießerisch ließ ich das Wasser über meine verschwitzten Schultern laufen, passte aber auf, dass meine Haare nicht nass wurden. Ich hatte sie gestern in der Sauna gewaschen und mir sogar die Mühe gemacht, Henna einzumassieren, um ihr natürliches Rot zu verstärken.
    Als ich vom Duschen kam, war der Gin gut gekühlt. Ich mixte ihn mit Eis und Zitronensaft. Der scharfe Geschmack trieb mir Tränen in die Augen, und ich schüttete etwas Puderzucker aus Mutters Vorräten dazu, um die Bitterkeit zu mildern. Der zweite Schluck schmeckte schon besser. Ich leerte mein Schminktäschchen auf dem Frisiertisch und stellte das Glas neben den Lippenstift.
    Wie oft hatte ich mich freitags in diesem Spiegel betrachtet und mich für eine Fete zurechtgemacht! Ich versuchte, hinter meinem Spiegelbild das fünfzehn Jahre jüngere Mädchen mit dem runden Gesicht und dem Pagenkopf zu entdecken. Dieses Mädchen hatte keine Falten um die Augen. Ihr fehlten auch die drei grauen Haare, die an den Schläfen unter dem Rot hervorlugten. Und die breiten Schultern.
    Das merkwürdig perlende Freitagsgefühl stellte sich wieder ein, dieses Gefühl, das an eine Zeit erinnerte, als gerade auf dieser Fete alles Mögliche passieren konnte, als alles offen war. Vielleicht entdeckt Johnny mich heute Abend … Das hatte ich vor fünfzehn Jahren gedacht und nicht etwa jetzt, oder?
    Ich hatte Lust auf Musik. Meine Schwestern und ich hatten unsere Platten natürlich mitgenommen, als wir auszogen, bei meinen Eltern gab es nur noch Arja Saijonmaa und Klassisches. Das Radio war meine Rettung: Sie brachten ein uraltes Stück von den Hurriganes. «Iʹm a Roadrunner, Honey … » Ich nahm noch einen Schluck und fing an, mich zu schminken. Mit dreißig war ich darin viel geschickter als mit fünfzehn.
    Meine Eltern kamen, als ich mir gerade den zweiten Drink mixte. Meinem Vater stand ins Gesicht geschrieben,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher