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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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dass etwas passiert war. «Wir mussten ins Krankenhaus», erklärte er. «Pena hatte wieder einen Herzinfarkt.» « O Gott! Wie gehtʹs ihm?»
    «Immer noch ziemlich schlecht, aber sie meinen, dass er durchkommt. Ich soll heute Abend nochmal anrufen.» Mein Vater ließ sich seufzend aufs Sofa fallen und trank gedankenverloren aus meinem Glas. «Helena war bei ihm und hat ihm erzählt, was es Neues gibt, und plötzlich wurde er ganz blau.»
    «Weiß er von der Eröffnungsfeier? »
    Pena war in den letzten vier Wahlperioden Vizevorsitzender der Stadtverwaltung gewesen. Trotz seines Alkoholproblems war er ein allgemein anerkannter Kommunalpolitiker, vor zehn Jahren hatte er es sogar fast ins Parlament geschafft. Für Pena war die Eröffnung des Alten Bergwerks aus vielen Gründen wichtig. Bevor er den Familienhof übernahm, hatte er fast zehn Jahre im Bergwerk gearbeitet. Als die Erzadern allmählich erschöpft waren, hatte sich Pena als einer der Ersten an der Suche nach Industriebetrieben beteiligt, die sich in Arpikylä ansiedeln und Ersatz für die verlorenen Arbeitsplätze schaffen sollten. Einen Unternehmer zu finden, der das Alte Bergwerk instand setzte, war eine der Aufgaben gewesen, die ihn bis zu seiner Gehirnblutung fast nüchtern gehalten hatten.
    «Er wird es wohl wissen, aber davon hat niemand gesprochen. Das hätte ihn zu sehr aufgeregt.» Vater hatte mein Glas leer getrunken, ohne es überhaupt zu merken, ich brachte es in die Küche und mixte uns beiden einen neuen Drink.
    Mutter nahm einen trockenen Sherry.
    « Sicher war Pena auch deshalb so angetan von Seppo Kivinen, weil er früher mit Seppos Vater im gleichen Schacht gearbeitet hat.»
    «Richtig, Kivinen stammt ja von hier. Habt ihr ihn als Schüler gehabt?»
    «Bei mir war Seppo in der Mittelschule.» Mutter war unter der Dusche gewesen und stand jetzt im Unterkleid in der Küche. Sie hatte ziemlich abgenommen, seit ich sie zuletzt ohne Pullover gesehen hatte. Das hellblaue Unterkleid fiel wenig kleidsam von den Schultern, an den Armen hing die Haut herab, im Gesicht waren wieder neue Falten aufgetaucht: Aber ihre Augen, grün wie meine, blitzten noch genauso wie die des lachenden jungen Mädchens auf dem Verlobungsfoto, das auf dem Kaminsims stand.
    «Ich kann mich gut an Seppo erinnern, er war in meiner ersten fünften Klasse, die ich damals im Herbst zweiundsechzig übernommen habe, als wir hierhergezogen sind. Eine richtig nette Klasse. Seppo ist mir sonst nicht weiter aufgefallen, ein ganz normaler, stiller Junge. Immerhin ein ganz guter Schüler, ich habe mich damals gewundert, wieso er nicht aufs Gymnasium gegangen ist.»
    «Er hat wohl die Handelsschule besucht, später in der Abendschule Abitur gemacht und erst mit dreißig angefangen, an der Handelshochschule zu studieren», ergänzte Vater. «Die Kivinens hatten kein Geld, ihn aufs Gymnasium zu schicken. Ein ehrgeiziger Junge, fein, dass er es so weit gebracht hat.»
    «Nun zieht euch aber um, dass wir nicht zu spät kommen ! »
    Ich ging in mein altes Zimmer und zog das violette Leinenkleid an. Ich hatte es mir zu Anttis Promotion zugelegt, es war das teuerste Kleidungsstück, das ich mir je gekauft hatte. Leider hatte mir niemand gesagt, dass Leinen knittert. Na, wahrscheinlich war heute eine Stehparty zu erwarten, sodass es halbwegs glatt bleiben würde. Ich zog die neuen Spitzenstrümpfe an und schlüpfte in die Schuhe mit den Sieben-Zentimeter‐Absätzen, auf denen ich nach langem Üben inzwischen halbwegs gehen konnte.
    Meine Eltern hatten dasselbe an wie auf der Hochzeit von Petri und Helena, Vater einen dezent grauen Anzug mit Weste, Mutter ein blaugrünes Chiffonkleid. Sie gaben sich alle Mühe, in Feststimmung zu kommen, aber es war nicht zu übersehen, dass sie sich um Pena sorgten. Das tat ich auch. Ich fürchtete, ich würde ihn nie mehr in Kuusikangas auf der Treppe sitzen sehen, wo er ständig irgendwelche Geräte ausgebessert hatte.
    «Vielleicht ruf ich nochmal an … » Vater und Pena sahen sich sehr ähnlich, beide waren klein, breitschultrig und gedrungen. Mein Vater war vielleicht ein paar Zentimeter größer. Seine Haare waren noch fast schwarz, während Pena schon vor Jahren ergraut war. Vater hatte als Student den breiten Dialekt verloren, den Pena bis heute sprach.
    «Es geht ihm besser. Er schläft, das Herz schlägt gleichmäßig. Gehen wir.» Vater holte den Autoschlüssel aus der Tasche, aber ich rief:
    «Himmel nochmal, du hast zwei Gin getrunken! Mutter
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