Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
gewollt unbefangen, obwohl die Hand, die ich Johnny entgegenstreckte, zitterte.
    «Ich hab schon von deiner Mutter gehört, dass du hier arbeitest. Ich hatte vor, irgendwann mal vorbeizuschauen.»
    Einen Moment brachte ich kein Wort heraus, guckte ihn nur an. Johnny war immer noch göttlich schön, genau wie damals, als ich fünfzehn war. Eigentlich sah er jetzt noch besser aus. Sein Adoniskörper war so muskulös wie früher, aber in das fast zu perfekte Gesicht des schönen Jungen von damals hatten sich ein paar Falten eingegraben, die ich sehr sexy fand.
    «Ich mache die Vertretung für den Ortspolizeidirektor und wohne in Onkel Penas Haus in Kuusikangas. Und du?», fragte ich, als wüsste ich es nicht längst.
    «Bist du Sportlehrer geworden?»
    «Ja, schließlich hab ich mich dann doch dafür entschieden. Die letzten paar Jahre war ich an der Schule in Tuusniemi, jetzt hab ich hier eine Stelle gekriegt. Tuija und ich haben geheiratet, vor zehn Jahren, wir haben zwei Kinder, und seit einem halben Jahr leben wir getrennt.» Johnny lächelte schwach.
    «Wohnt ihr … wohnst du hier?» Ich bemühte mich um einen gleichgültigen Ton und strich mir die roten Haare aus dem Gesicht.
    «Wir haben ein Haus in Kyykeri, aber da bin ich im Frühjahr ausgezogen. Die Sommerferien über wohne ich mal hier, mal da, meistens bei meinen Eltern in Sysmäjärvi. Anfang August kriege ich dann eine Dienstwohnung. Ich hab ja jetzt eine feste Anstellung. Tuija hat schon seit fünf Jahren ihre Praxis hier. Du hast sicher gehört, dass sie Zahnärztin geworden ist?»
    Ich nickte. Es kam mir seltsam vor, dass Johnny so unbefangen plauderte, als hätten wir uns bloß ein paar Wochen nicht gesehen. Vielleicht war das Wiedersehen für ihn nichts Besonderes.
    «Willst du ein Stück mitfahren? Ich hol die Kinder ab, sie sind bei Tuijas Eltern im Sommerhaus, und Kuusikangas liegt am Weg.»
    «Danke, aber ich lauf noch ein bisschen. Aber wenn du mal in der Nähe bist, dann komm vorbei, du kennst das Haus ja. War schön, sich in aller Ruhe zu unterhalten.»
    Johnny versprach, sich vielleicht bei Gelegenheit mal blicken zu lassen. Ich setzte mich wieder in Trab, und bald darauf knatterte der Nissan an mir vorbei. Ich rannte in der Staubfahne, die er hinter sich herzog, und mein Herz schlug viel schneller als bei diesem Tempo zu erwarten. Meine Beine waren wie Pudding, ein Wunder, dass ich überhaupt noch fähig war zu laufen.
    In den vergangenen Jahren hatte ich oft darüber nachgedacht, wie ich reagieren würde, wenn Johnny plötzlich vor mir stünde. Allerdings hatte ich nicht erwartet, rot zu werden wie ein Teenager. Bestimmt hatte ich eben völlig blöd ausgesehen. Verdammt, erst vorletzte Nacht hatte ich wieder von Johnny geträumt. In den letzten fünf Jahren hatte ich regelmäßig mindestens einmal im Monat solche Träume.
    Beim Erwachen kam ich mir dann immer wie gedemütigt vor ‐ es lag doch alles schon fünfzehn Jahre zurück, warum kam ich von diesem Phantasie-Johnny nicht los? In meinem letzten Traum waren wir uns in der Sportabteilung im Kaufhaus begegnet. Ich hatte mir Fußbälle angesehen, als Johnny mich plötzlich bei den Armen packte und anfing, mich zu küssen.
    Den letzten Kilometer rannte ich wie Lasse Viren über die zehn Kilometer in München, als er dem Hauptfeld nachsetzte. Im Saunaofen brannte noch ein kleines Feuer, und als ich in die Glut blies, flammte es auf. Ich machte Bauchmuskelübungen und Liegestütze auf dem Hof, ein paar Klimmzüge an der Teppichstange, dehnte mich zum Schluss und holte das eine kalte Bier, das erlaubte, aus dem Keller.
    Johnny war meine erste Liebe gewesen. Er spielte Fußball und Gitarre und trainierte eine Zeit lang die Juniorenmannschaft, in der ich mitspielte, bis mein Busen so groß wurde, dass ich mich allzu deutlich von den Jungen unterschied.
    So gab ich den Fußball auf und wurde Bassistin in einer Rockband, in der außer mir nur Jungs spielten. Wir probten im gleichen Raum wie Johnnys Band Synthetische Tiger. Wir nannten uns Rattengift und spielten Punk, die Synthetischen Tiger softeren Folk-Rock, aber manchmal hatten wir auch gemeinsame Jamsessions, bei denen wir uns an Beatles-Songs und sonstigem zur Allgemeinbildung gehörenden Gedudel versuchten. Natürlich veranstalteten wir in unserem Probenraum auch grandiose Besäufnisse.
    Ich goss noch etwas Wasser auf die Steine, es zischte behaglich: Es war sicher zehn Jahre her, seit ich Johnny zuletzt gesehen hatte. Eigentlich hieß er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher