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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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Gänse sind: Ella und Maria.» Ich fühlte mich immer noch ziemlich geschmeichelt.
    Ellas Burschikosität war anders als meine. Sie war viel größer als ich, hatte breite Schultern und einen kleinen Busen und trug fast immer bunte Hosenanzüge. Ihr dunkles Haar war kurz und glatt gekämmt; die große Brille hatte sie gegen Kontaktlinsen eingetauscht, die die braunen Augen in ihrem runden, weichen, rotwangigen Gesicht leuchten ließen. Ella war praktisch und vernünftig, aber kein Gluckentyp, künstlerisch begabt, aber keine Spur von Boheme. Wie geschaffen für den Posten der kleinstädtischen Kulturdezernentin, den sie vor ein paar Jahren ergattert hatte, nachdem sie so schlau gewesen war, sich das richtige Parteibuch zuzulegen. Ellas Mann, Matti Virtanen, war bildender Künstler.
    «Hab ich bekommen. Kivinens Sekretärin hat mich eingeladen, als sie die Genehmigung für das Feuerwerk abgeholt hat. Ist dieser Kivinen tatsächlich so ein Himmelsgeschenk für die Stadt? Woher hat er überhaupt das Geld, um das Alte Bergwerk zu pachten?»
    «Hast du keine Zeitungen gelesen? Ein paar gute Unternehmenskäufe, das Geld seiner Frau als Grundkapital. Kivinen stammt von hier und hat sich wohl irgendeine Zuneigung zu dieser Stadt bewahrt.»
    Natürlich hatte ich über Seppo Kivinen, Hauptaktionär und Geschäftsführer der Aktiengesellschaft Altes Bergwerk, einiges gelesen. Auch mein Vater hatte mir das eine oder andere erzählt. Als die Arpikylä‐Tourismus AG, die zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte ein paar lokalen Unternehmern gehörte, vor dem Konkurs stand, war plötzlich Diplomkaufmann Seppo Kivinen mit seinen großen Plänen aufgetaucht. Er hatte genau ausgetüftelt, wie sich das Alte Bergwerk profitabel verwerten ließ. Nach gründlichen Instandsetzungsarbeiten würde auf dem Gelände eine gewaltige Abenteuerhöhle entstehen, weitere Attraktionen wären der beeindruckende Turm, das neu gestaltete Bergwerksmuseum und ein piekfeines Aussichtsrestaurant, ein Goldwäscherweg, ein Sommerschlittenhügel und wer weiß was noch alles.
    «Sind diese Superfreizeitparks nicht schon wieder out? Vor ein paar Jahren sind doch so ungefähr an jeder Ecke welche gegründet worden.»
    Ella trank so hingebungsvoll von ihrer Buttermilch, dass sie einen weißen Oberlippenbart davontrug.
    «Aber Kivinens Pläne kreisen alle um das Bergwerksthema. Jedenfalls hat er Ideen. In einer der hohen Aufbereitungshallen will er eine Trainingsbahn für Kaisa Miettinen bauen, du weißt doch, die Speerwerferin. Und Math und Meritta ziehen im August einen Ferienmalkurs zum Bergwerksthema durch, der ist schon ausgebucht.»
    «Das kostet doch ein Schweinegeld! Die Stadt bürgt für sämtliche Kredite, oder?»
    «Na ja, darum gabʹs ziemlich Krach. Aber Kivinen beschäftigt fast hundert Leute, das hat schon was zu bedeuten in einer Stadt mit fast dreißig Prozent Arbeitslosen.»
    Das war mir durchaus klar, und ich wusste, dass Kivinen gerade mit diesem Argument Zuschüsse von allen möglichen Stellen an Land gezogen hatte. Da gabʹs das Innenministerium, den Strukturentwicklungsfonds und das Ministerium für Handel und Industrie ‐ Kivinen war angeblich mit Innenminister Pekkarinen und mit dem früheren Handelsminister Juhantalo gut befreundet, wenn er auch über Juhantalo kein Wort mehr verlor, seit der wegen undurchsichtiger Geschäfte vor Gericht gestanden hatte.
    «Übrigens», wechselte ich das Thema, «rate mal, wen ich gestern getroffen hab?
    Den Johnny Miettinen.»
    Ella lächelte mitleidig. Zwar hatte ich die schlimmste Johnny-Verknalltheit schon in der Oberstufe überwunden, aber wenn ich zu viel getrunken hatte, heulte ich ihm damals immer noch nach, und Ella hatte sich den Blödsinn anhören müssen.
    «Und, hatʹs dich erwischt?»
    «Leider.»
    «Er ist wirklich gut erhalten», lachte Ella. «Da kriegt unsereins auch mal was zu sehen, solche Prachtexemplare sind hier ziemlich dünn gesät.»
    Ich schob die letzte Fuhre Kartoffelmus in den Mund und sah auf die Uhr. Das Mittagessen mit Ella hatte sich wieder mal ziemlich in die Länge gezogen.
    «Ich hab in einer Viertelstunde einen Termin mit dem Chef vom Jagdverein», sagte ich im Aufstehen. «Die hatten letzten Herbst Wilderer in ihrem Revier.
    Drück mir die Daumen, dass ich mich nicht total blamiere. Bevor der Typ kommt, muss ich schnell noch die Gesamtreform zum Jagdgesetz durchlesen.»
    Jussi hatte ein rosiges Bild von seiner Arbeit gemalt. Praktisch keine Kriminalität, allenfalls
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