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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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Schatten zu seinen Füßen, aber er verschwand gleich wieder. Schließlich glaubte ich nicht an Gespenster.
    Langsam stieg ich die Stufen hinab und streichelte ab und zu die verwitterten grauen Wände des Turms. Er hatte bei der Explosion nicht mal gewackelt, das Fernglas auf der Aussichtsplattform stand fest auf seinem Podest, die Spin-nennetze in den Dachluken waren unversehrt geblieben. Beim Bau des Turms hatte man noch solide gearbeitet.
    Ich schloss die Tür hinter mir ab und brachte den Schlüssel zu Ella, die gerade das Würstchenbraten anleierte. Das Bergwerksgelände war vor ein paar Stunden geschlossen worden, auch im Restaurant war niemand mehr. Auf dem Gelände hielten sich nur noch die dreißig Teilnehmer des Ferienmalkurses auf, dazu einige andere, die wie ich auf dem Bergwerkshügel das Ende des Sommers feiern wollten.
    Einer der Kursteilnehmer saß am Lagerfeuer und trommelte auf Bongos, ein anderer holte seine Mundharmonika aus der Tasche. Johnny saß ein wenig abseits und stimmte seine Gitarre. Sein linker Knöchel steckte immer noch in Gips, er musste an Krücken gehen. Ich sah, dass Kaisa ihm ein Glas Wein brachte.
    Es wunderte mich, dass Kaisa es geschafft hatte, zu der Fete zu kommen. Erst gestern hatte das EM-Finale im Speerwerfen der Frauen stattgefunden. Vielleicht hatte Kaisa dem Publicityrummel entgehen wollen, den die Goldmedaille mit sich brachte. Ich hatte mir zusammen mit meinem Vater und Koivu das Finale angesehen und gebrüllt wie eine Wahnsinnige, als Kaisa beim zweiten Durchgang gut dreiundsiebzig Meter hinlegte. Als bei der Siegerehrung die finnische Nationalhymne erklang, hatte ich gar nicht erst versucht, meine Tränen zu verbergen, während Koivu seine Rührung nur durch wiederholtes Räuspern zum Ausdruck brachte.
    «Schöne Grüße von Aniliina», hatte Kaisa gesagt, als ich sie heute Abend umarmt und ihr gratuliert hatte. «Ich hab sie gestern besucht. Es geht ihr schon ein bisschen besser.»
    Märten Flöjt, Kaisa und ich hatten Aniliina nach Helsinki in die Spezialklinik für Essstörungen gebracht. Sie würde im Krankenhaus bleiben, bis ihre Körperfunktionen sich erholt hatten und ihr Gewicht auf vierzig Kilo gestiegen war. Danach sollte sie ambulant weiterbehandelt werden und bei ihrem Vater wohnen.
    «Bei Magersucht kommt es unter Umständen nie zu einer völligen Genesung», hatte Märten Flöjt mir am Telefon erklärt. Es war schwer zu sagen, wie es mit Aniliina weitergehen würde. Bei der Beerdigung ihrer Mutter und ihres Onkels hatte sie sich kaum aufrecht halten können. Sie hatte den Kampf aufgegeben und zeigte offen, wie schlecht es ihr ging. Nach Ansicht ihrer Therapeutin war das ein gutes Zeichen.
    Ich hatte Kaisa meinerseits Grüße aus einer anderen Klinik überbracht. Pena hatte mich gebeten, Kaisa zu ihrem Sieg zu gratulieren. Er konnte bisher erst ein paar zusammenhängende Worte sprechen, aber die gesunde Hand hatte ihre Schreibfähigkeit wiedererlangt.
    Gleich am Tag nach der Explosion war ich mit meinem Vater zu Pena gefahren, um ihm die Nachricht zu überbringen. Vorsichtshalber stand der junge Arzt daneben, während ich versuchte, mich möglichst vorsichtig auszudrücken und ihm zu versichern, dass es wenigstens nicht zum Schlimmsten gekommen war und dass Kivinen nicht von seinem Betrug profitieren würde. Das Ergebnis war eine leichte Rhythmus-Störung, aber danach begann sich Pena langsam von seiner Herzkrankheit und seiner Gehirnblutung zu erholen. Er würde wohl nie mehr allein in Kuusikangas wohnen können, und die Stadtverordnetenversammlung musste sich nach einem neuen Vorsitzenden umsehen. Aber immerhin war es Kivinen nicht gelungen, ihn umzubringen. Beim nächsten Besuch hatte ich Mikko ins Krankenhaus mitgenommen. Auf der ganzen Fahrt hatte er kläglich miaut, sich dann aber unbändig gefreut, als er Pena erblickte. Zu guter Letzt hatte er auf dem Krankenbett gelegen und geschnurrt. Ich hatte vor, ihn in nächster Zeit noch einmal mitzunehmen.
    Koivu gab mir einen Stock und ein Stück Wurst. Ich spießte die Wurst auf und hielt sie vorsichtig über das Feuer. Die Verbände an meinen Händen waren erst vor ein paar Tagen entfernt worden. Die Haut war immer noch empfindlich, und unterhalb des linken Mittelfingers würde eine Narbe auf der Handfläche zurückbleiben. Auch meine Beine hatten wochenlang geschmerzt, so dass ich meine Marathonträume vorläufig hatte begraben müssen. Trotz meiner schmerzenden Hände hatte ich am Übungsschießen
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