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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz
Autoren: Leena Lehtolainen
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Leiter war für starke, große Bergleute gemacht. Ich konnte kaum noch die Beine bewegen, die Oberschenkelmuskeln taten höllisch weh, Schweiß und Tränen brannten mir in den Augen. Johnny versuchte, eine Hand zu Hilfe zu nehmen, und hätte mich damit um ein Haar wieder aus der Balance gebracht. Unsere Schreie brachen sich an den schwarzen Wänden des Schachts. Dann drang ein anderes, grollendes Geräusch zu uns herauf.
    Irgendwo da unten begann die Erde zu beben.
    Wir zogen uns die letzten Meter hoch und lagen schluchzend im Dunkel der Aufzugsplattform. Der Fels unter uns bebte, hinter der schweren Eisentür war hysterisches Kreischen zu hören. Ich fasste Johnny bei der Hand und dachte, dass es keine Spur romantisch war, mit ihm zu sterben. Aus den Schächten hallte ein letzter, trotz der Entfernung ohrenbetäubender Knall, und ich sah, wie der Lichtschein des Aufzugs verschwand. Irgendwo in der Finsternis dort unten war ein gewaltiges Krachen zu hören. Von der Decke fiel Kies auf uns herab und begrub uns unter sich. Wir waren nur noch ein Teil des nach Kupfer riechenden Gesteins.

Sechzehn
    Ich stand auf dem Turm und schaute hinunter auf die Stadt. Grüne Birken umrahmten die Häuser, auf der Hauptstraße waren weder Menschen noch Autos zu sehen, leer und verlassen schlängelte sie sich durch den Ort. Die Kirche war genauso hässlich wie immer, und im Westen leuchtete nach wie vor das weinrote Wasser des Bergwerksteichs. Es wurde allmählich dunkel, hinter dem Turm schien der Mond in sattem, spätsommerlichem Gelb. Durch die Birken hindurch schimmerte das Loch, das Kivinens Sprengladungen rund um das Einsturzgebiet gerissen hatten.
    Ein morsches Haus in der seit langem geräumten Straße am Einsturzgebiet war eingestürzt, aber es hatte weder Tote noch Schwerverletzte gegeben. Kivinen hatte die Sprengkraft seiner Ladung ungefähr dreimal zu hoch eingeschätzt. Bei diesen vierzig Jahre alten Sprengladungen kann man nie wissen, was passiert, das hatte er selbst gesagt.
    Auch Kivinen war am Leben geblieben. Er war rechtzeitig zu Bewusstsein gekommen und hatte es geschafft, einen Kilometer weit durch den linken Gang zu fliehen. Eine Bergungsmannschaft war noch am Abend der Explosion durch den Eingang in der Aufbereitungshalle in den Schacht vorgedrungen und hatte ihn gefunden. Seine linke Hand war zerquetscht, und ein Glassplitter hatte den Sehnerv an seinem linken Auge zerstört. Jetzt saß er im Bezirksgefängnis und wartete auf seinen Prozess.
    Hinter der Plörre, die in der untergehenden Sonne kupfern glänzte, begannen die endlosen Wälder, durch die sich wie graue Bänder die Straßen zogen, hinaus in die Welt. Im Nordosten schimmerten die großen silbernen Seen. Alles war wie früher, alles außer dem Einsturzgebiet, in dessen Mitte nun eine graubraune, wie eiternd aussehende Explosionsnarbe lag.
    Die Heldin hatte die Stadt nicht gerettet. Die Aktiengesellschaft Altes Bergwerk war seit ihrer Gründung ein konkursreifes Unternehmen gewesen. Kivinen hatte es geschafft, riesige Subventionen zu ergaunern, die er offenbar auf verschiedene mitteleuropäische Banken transferiert hatte. Er hatte Scheinunternehmen, die auf den Namen seiner Frau liefen, als Subunternehmer mit den Bauarbeiten am Alten Bergwerk beauftragt und so das Vierfache der tatsächlichen Baukosten kassiert. Im Auftrag der Stadt und des Ministeriums für Handel und Industrie suchten Juristen nach einer Möglichkeit, die Gelder zurückzubekommen, die Kivinen in die eigene Tasche gesteckt und im Ausland angelegt hatte, aber die Chancen waren gering. Selbst im günstigsten Fall würden mehrere Jahre darüber vergehen. Inzwischen musste die Stadt Arpikylä vermutlich für die Kredite geradestehen, die Kivinen aufgenommen hatte. Ich hatte zwar gerüchtweise gehört, Barbro Kivinen wäre bereit, die Geschäftstätigkeit ihres Mannes fortzusetzen, wenn ihr ein angemessenes Kapital garantiert würde, aber ich fürchtete, dass dieses Gerücht den Wunschträumen leichtgläubiger Stadtverordneter entsprang.
    Auf dem Bergwerkshügel unter mir wurde ein Lagerfeuer angezündet. Das Abschlussfest des Ferienmalkurses fing an. Es war ein windstiller Abend, der Rauch stieg mir direkt in die Nase. Ich beugte mich vor, um das Feuer besser zu sehen, und erblickte Koivu, der mir mit einer Weinflasche winkte.
    «Hör auf zu meditieren und komm runter!» Koivu stand fast genau an der Stelle, wo Meritta aufgeprallt war. Einen Augenblick lang sah ich ihren orangefarbenen
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