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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk
Autoren: Bernd Rümmelein
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lesen und in mühsamer Arbeit mit den eigenen Händen abzuschreiben, wollte er den Text für nachfolgende Generationen retten. Er hegte keinen Zweifel daran, dass es sich um eine wichtige Entdeckung handelte. Bereits die ersten Zeilen hatten in ihm den Verdacht geweckt, eine von Ulljans ureigenen Schriften vor ihm liegen zu haben.
    Sein beinahe allzu neugieriger Schüler hatte in denArchiven in einer geheimen Kammer alte Schriftrollen entdeckt, die längst als verschollen gegolten hatten. Auf welche Weise auch immer Gayol es angestellt und die Kammer gefunden hatte, Pydhrab zog es vor, es nicht wissen, und hatte deshalb nicht nachgefragt. Denn mit Sicherheit hatte der Adept bei seiner Suche einige Ordensregeln verletzt und wäre einer offiziellen Bestrafung nicht entgangen. Pydhrab hasste Bestrafungen. Er war der festen Überzeugung, dass sie nichts einbrachten. Strafe führte in den seltensten Fällen zu tieferer Einsicht. Gewiss war die Angst vor Bestrafung in manchen Fällen dazu geeignet, unerwünschte Handlungen zu vermeiden. Zeitweise. Aber oft bewirkte Strafe das Gegenteil, und das Verbotene lockte neugierige Geister geradezu, dieses auszuprobieren. Züchtigung zerbrach meist nur den Willen des Missetäters und die gezeigte Reue war nicht echt. Der Durst nach Wissen und die Neugier waren zu groß. Pydhrab konnte Gayol nicht böse sein. Der Atramentor erinnerte sich daran, wie er selbst einst gewesen war, und musste sich eingestehen, dass er selbst nicht anders gehandelt hätte. Er nannte das »den Dingen auf den Grund gehen, die Geheimnisse aufspüren und enträtseln, bevor es ein anderer tut.« Pydhrab wäre nicht so weit gekommen, hätte er diese Eigenschaft nicht selbst aufzuweisen, und er schätzte es sehr, dass Gayol ihm in so mancherlei Hinsicht ähnlich war.
    Nachdem der Meister der Schriften allerdings die ersten Worte des Fundes entziffert hatte, musste er Strenge walten lassen und seinen Schüler fortschicken. Es wäre unverantwortlich gewesen, Gayol eine Schrift des letzten Lesvaraq zu überlassen. Die Schriftrollen des Großmagiers waren gewiss nicht für die Augen eines Adepten bestimmt. Pydhrab wusste selbst nicht, was ihn erwartete und ob er den Inhalt würde verkraften können. Soweit ihn seine Erinnerung nicht täuschte, waren Ulljans Schriften durchaus als gefährlich einzustufen.Kein Atramentor konnte vorher wissen, welche Geheimnisse er während der Lektüre erfahren würde. Ulljan war selbst nach seinem Tod für mancherlei Überraschung gut gewesen. Der Schriftenmeister hatte sich Tinte, Feder und Schriftrollen zurechtgelegt. Während er las, schrieb er das Gelesene zugleich auf.

    »In schöner Regelmäßigkeit suchte ich auf meinen Reisen die bekannten magischen Völker auf. Alle bis auf eines: das Volk der Nno-bei-Maya. Von jeher leisten mir die Maya Widerstand. Unergründlich scheint mir, warum sie den Lesvaraq auf diese Weise ablehnen. Gewiss, sie stehen Pavijur näher und geben vor, dem Licht dienen zu wollen. Doch gilt dies in gleichem Maße für die Naiki, die mich immerhin zur letzten Sonnenwende einmal empfingen und ihre Geheimnisse mit mir teilten. Die Maya hingegen zeigten sich bis heute uneinsichtig. Jeder Versuch, ihre Abwehr zu überwinden, wäre fruchtlos geblieben, hätte ich ernsthaft versucht, sie mit Gewalt zu erreichen. Die mir verliehene Macht mag den Willen der Maya brechen und den Geist zerstören. Aber sie reißt nicht den unsichtbaren Schild nieder, den das Volk um seine Insel gelegt hat. Aber nun weiß ich endlich, wie der Vorstoß erfolgen muss und die Barriere zerbrochen wird. Mein treuer Freund Kallahan – Meister und zugleich Schüler – wird mir bei meinen Plänen behilflich sein. Die Maya werden den Lesvaraq endlich willkommen heißen, ob sie wollen oder nicht.
    Jedes der magisch begabten Völker verriet – während ich einige Monde unter ihnen verweilte – eines ihrer am besten gehüteten Geheimnisse. Meist aus freien Stücken. Oder sagen wir, mehr oder minder freiwillig. In manchen Fällen des Starrsinns musste ich ein wenig nachhelfen.
    Bei den Tartyk befragte ich den Rat der Alten. Aber der Rat verriet nichts, was ich nicht schon zuvor geahnt hätte.Und doch war es eine Erfahrung der besonderen Art, mit den Drachen höchstselbst im reinen Gedankenaustausch zu plaudern. Nahm ich während meiner ersten Begegnung noch an, der Rat der Alten sei tatsächlich mit Tartyk besetzt, so wurde ich rasch eines Besseren belehrt. Die Drachen stellten den Rat der
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