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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk
Autoren: Bernd Rümmelein
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der besonderen Eignung eines Atramentors.
    »Pydhrab, Pydhrab ... das ist deine Gelegenheit, deinem Namen endlich Ehre zu bereiten«, murmelte der Kaptan bei sich, als ihn sein einziger Schüler Gayol geholt hatte, um ihm den so wichtigen Fund in den Archiven zu zeigen. »Vielleicht gelingt es dir, eine der wichtigsten Entdeckungen der letzten fünftausend Sonnenwenden ans Licht des Tages zu bringen. Das Glück des Tüchtigen ist auf deiner Seite. Ein Platz an der Seite deines Herrn ist dir damit sicher.«
    Pydhrab wusste, dass die dreißig Sonnenwenden in der Dunkelheit des Verlieses Spuren bei ihm hinterlassen hatten. Aber dieser Fund spornte seinen längst verloren geglaubten Ehrgeiz wieder an. Er war ein Mann mittleren Alters, der – im Gegensatz zu den meisten anderen Ordensbrüdern – sein wahres Alter ungefähr kannte oder zumindest sehr gut schätzen konnte, auch wenn er tatsächlich viel älter aussah und neben einer enormen Blässe, die ihn vollkommen blutleer erscheinen ließ, bereits schneeweißes, jedoch immer noch vollesHaar und einen ebenso weißen wie auch langen Vollbart aufwies, der einen Großteil seines Gesichtes verdeckte und ihm bis zum Bauch reichte.
    Zu seinem Bedauern erinnerte sich Pydhrab weder an seine leibliche Mutter noch an seinen Erzeuger. Das wenige, was er über beide wusste, hatte er von den Praistern erfahren, die ihn bis zu seiner fünfzehnten Sonnenwende aufgezogen und ihm Lesen und Schreiben beigebracht hatten. Sie waren es auch, die ihm den Zeitpunkt seiner Geburt offenbart hatten. In seiner Zeit bei den Sonnenreitern war er oft gefragt worden, wie es denn möglich gewesen sei, sich von den Praistern zu lösen und den Sonnenreitern beizutreten. Dieser Wandel erwies sich auf Ell als ungewöhnlich und hatte meist nichts anderes als höchstes Erstaunen hervorgerufen. Aber Pydrhab hatte sich zeit seines Lebens nie mit den Lehren der Praister anfreunden können. Sie besaßen nichts Greifbares für ihn und entfernten sich in seinen Augen zu weit von der Wirklichkeit der Lebenden. Die Praister waren ihm bis zu seinem Weggang stets unheimlich geblieben, obwohl sie ihn im Grunde gut und als einen der ihren behandelt hatten.
    Den Erzählungen der Praister zufolge hatte ihn vor genau fünfundvierzig Sonnenwenden eine Hafendirne in einer Seitengasse Tut-El-Bayas nach Kryson gebracht und unmittelbar nach der Geburt in den Gärten des Kristallpalastes auf der Terrassenebene der Praister ausgesetzt. Der Vater war trotz eigener Nachforschungen unbekannt geblieben. Jedermann kam im Grunde als sein Erzeuger infrage. Ein Seemann, ein Freier, ein Händler, ein Höfling, vielleicht ein gegen die Regeln verstoßender Praister oder am Ende gar ein Bewahrer. Letzteres wäre Pydhrab in der Zeit seiner Jugend am liebsten gewesen. Obwohl er unter den Praistern aufgewachsen war, hatte er, seit er denken konnte, davon geträumt, dem Orden der Sonnenreiter anzugehören. Allerdings hatte er sich das Ordenslebendamals in den Sonnenwenden seiner Kindheit und frühen Jugend noch völlig anders vorgestellt. Wie das Herz vieler anderer junger Frauen und Männer hatte auch er die großen Bewahrer – und vor allem die Krieger unter ihnen – bewundert. Madhrab, Lordmaster und Bewahrer des Nordens, den hohen Vater, Overlord Boijakmar, den eitlen Lordmaster Chromlion, der gemeinhin als schön, aber unbeherrscht gegolten hatte, und den Letztgänger Zachykaheira. Diese Namen und die sich dahinter verborgenen Geschicke würden nicht so schnell in Vergessenheit geraten, wie es bei vielen anderen Dingen auf Ell geschah. Dafür wollte Pydhrab sorgen, wenn er Gelegenheit dazu fand, die Geschichten der namhaften Sonnenreiter endlich aufzuschreiben. Die meisten von ihnen hatte er mehr oder weniger noch persönlich gekannt.
    Seit Tagen schon hatte der Atramentor in einer viel zu engen, bislang unbekannten Kammer des Labyrinthes verbracht und angestrengt versucht, die vor ihm liegenden Schriften zu entziffern. Nicht nur das Kerzenlicht bereitete ihm Schwierigkeiten. Die alte, ungleichmäßige Handschrift war schwer zu entziffern, und auch die an einigen Stellen bereits verblassenden Buchstaben stellten den Schriftenmeister vor eine große Herausforderung. Vielleicht die größte seines Lebens. Die Schriften erwiesen sich als uralt, und er wagte kaum, ihnen mit den Fingern nahe zu kommen, fürchtete er doch, sie könnten unter seiner Berührung zu Staub zerfallen.
    Was blieb ihm anderes übrig, als diese an Ort und Stelle zu
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