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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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Zoo über den Zaun spechten und versuchen, die Sprache der Gibbons zu
verstehen.
    Nun sprang Jo ein. »Er braucht Ihren Namen, um Sie als eventuellen
Gewinner später ausrufen zu können.«
    Der Name kam – was nicht kam, war der Euro Wetteinsatz. Der Bursche
schaute irritiert zu Jo und Gerhard, der ihm schließlich den Euro zusteckte.
    Gerhard atmete tief durch und ließ den Blick über die Szenerie
gleiten. Am Fuße des Funkens hatten sich kleine Pfützen gebildet, kleine »Hot
Pots«, isländische Geysire en miniature, von denen Dampfschwaden aufstiegen.
Der Wind hatte zugenommen. Die Hexe schaukelte unbehelligt vom Feuer und wirkte
wie ein Crashtest-Dummy nach dem Aufprall im Windkanal. Sie hatte grell
geschminkte, feuerrote Lippen, ihre Unterhosen waren spitzenbesetzt, und das
Feuer mühte sich weiter redlich, ihrer habhaft zu werden.
    »Na, die werden jetzt schon was Brennbares reinschütten«, mutmaßte
Gerhard und schaute Jo scharf an, die immer noch neben ihm stand.
    Tatsächlich sahen sie einen Mann mit einem großen Kanister
vorbeihasten. Plötzlich stieg auf einer Seite eine Stichflamme auf, jäh, gewaltig
und taghell. Das Licht verzerrte die regennassen Gesichter zu Fratzen.
    Jo suchte mit Blicken »ihre« Journalisten. Die Augen waren
aufgerissen, und auch einer wie der Investigator hatte alle maskenhaften Züge
verloren. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich Schauer, Wollust und eine Portion
Unverständnis. Die Flammen fraßen sich höher, aber so sehr die Burschen sich
auch mühten, der Funken wollte nur sehr einseitig auflodern, der Wind tat ein
Übriges. Die Hexe mit ihrem geblähten Rock hing weit entfernt von Rauch und
Funken. Wie unvorstellbar grauenvoll musste es damals gewesen sein, nicht
gleich einen gnädigen Erstickungstod zu sterben. Jo verspürte eine Übelkeit.
Und plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, kippte ein Teil des Funkens zur Seite. Wie
bei einem Feuerwerk schossen Flammen in den nachtschwarzen Himmel, kleine
Explosionen zerschnitten die Stille.
    Jo hörte Gerhard rufen: »Jesus Maria«, und gleich darauf war das
schrille Gekreische eines kleinen Mädchens rechts neben ihr zu vernehmen.
    Vielleicht einen Meter von ihr entfernt ragte ein Ast bizarr aus dem
Feuer. Ein Holz, an dessen Ende sich kleine Zweige krümmten. So eine Art
Wurzelsepp, geschnitzt für Touristen. Die gekrümmten Holzfinger zeigten ins
Helle des Feuers. Diese Finger sahen verkrampft aus, so als hätte sich der
Wurzelsepp noch verzweifelt irgendwo festgehalten. So was Schauriges schnitzt
man doch nicht, dachte Jo, und dann wurde ihr langsam klar, dass das gar kein
Holz war und kein knorziger Wurzelsepp. Diese Finger, die schwarz-bläulich schimmerten,
gehörten zu einem echten Arm. Zu einem menschlichen Arm! Er steckte in einem
Fleece-Pullover, der angekokelt und durch die Hitze teils geschmolzen war.
Zusammengeschmolzen zu einer roten Wunde.
    Gerhard hatte schon das Handy draußen und die Kollegen informiert.
Während Jo noch immer auf den Arm starrte, hatte er schon drei Männer zusammen,
die mit ausgebreiteten Armen die Menge zur Straße dirigierten.
    »Schaff deine Journalisten hier weg!«, schrie Gerhard im Gehen und
wedelte mit den Armen. »Ihre« Journalisten standen auf der anderen Seite des
Haufens und blickten verwirrt.
    »Ist es schon vorbei?«, fragte die junge Praktikantin mit
Mickymaus-Stimmchen. »Die Hexe brennt doch noch gar nicht, der Haufen auch
nicht.«
    »Nein, es hat einen Zwischenfall gegeben«, sagte Jo, »aus
feuerpolizeilichen Gründen müssen wir das Gelände räumen.«
    Sie hatte den Satz noch nicht beendet, als der Investigator seinen
Presseausweis rausriss und in die Richtung stürmte, aus der alle kamen.
    »Behindern Sie mich nicht in der Ausübung meiner Tätigkeit. Ich bin
Journalist!« Aus seinem Mund klang das wie: »Ich bin 007, im Auftrag Ihrer
Majestät unterwegs«.
    Zwei Sekunden später startete auch der Kameramann von Mister TE VAU durch. Patrizia und Jo gelang es,
die anderen Richtung Rössle zu dirigieren und sofort mit einem Glühwein ruhig
zu stellen.
    »Was war denn da los?«, wollte die Schupfnudel verwirrt wissen.
    »Es gab einen Unfall, ich weiß auch nichts Genaues«, sagte Jo und
entschuldigte sich wortreich für das Misslingen der Unternehmung. »Ich lasse
Ihnen jetzt mal den Bus ins Hotel kommen«, fügte sie hinzu und eilte zur Theke.
    Jens kam von der Toilette und blieb stehen. »Was ist wirklich los?«
    »Jens, bitte, kannst du irgendwie mit Patti zusammen den
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