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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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es gut geschlafen habe; dann zwei Ziegen, schneeweiße, ohne Hörner, mit weißen Troddeln zu beiden Seiten des Kopfes. »Jä, Mutschli!« sagte der Mann und fragte, ob sie Hunger hätten. Die beiden Ziegen nickten weise, trabten davon, gefolgt vom Schaf, fanden eine Öffnung im Hag und begannen das Gras, das zwischen dem alten Eisen hervorschoß, eifrig abzurupfen. »Ond 's Bäärli!« sagte der Mann, während er den tanzenden Hund losband. Um sich aber mit dem Hunde zu verständigen, gebrauchte Graf eine so sonderbare Sprache, daß der Wachtmeister kein Wort verstehen konnte.
    Studer stand inmitten des kleinen Hofes und kam sich recht lächerlich vor in seiner schwarzen Festkleidung. Sie paßte weder zur Sonne, deren Strahlen schon gehörig wärmten, noch zum alten Eisen; sie paßte nicht zu der Erscheinung des Grofe-n-Ernst und auch nicht zu den Tieren. Diese schwarze Feiertagskleidung umgab ihn wie ein Panzer und schloß ihn ab von der Außenwelt, von den Bäumen, den Gräsern, den Tieren und von dem bluttfüßigen Mann…
    Dieser pumpte Wasser in ein Becken und spielte dann Seehund. Er steckte den Kopf in die Schüssel, zog ihn heraus, schneuzte, schüttelte sich. Dann zog er die Mechanikerkutte und das Hemd aus, bückte sich ganz tief und pumpte sich Wasser über den Rücken. Kläffend umsprang ihn der Hund, dem plötzlich das volle Becken über den Kopf geschüttet wurde, so daß er es seinem Herrn gleichtat mit Schütteln, Pusten und Niesen. Vor der Haustür aber lag das Färli, hatte alle viere von sich gestreckt und blinzelte in die Sonne.
    »Ideli!« rief der Mann, und als das Säuli sich nicht rührte, ging er es holen und wusch es unter der Pumpe mit einer alten Waschbürste.
    Gerade als Studer den Graf anrufen wollte – denn langsam wurde er ungeduldig, weil er es nicht gewohnt war, als Luft behandelt zu werden – erkundigte sich der Mann, ob der Wachtmeister eine Tasse Kaffee wolle. Studer gab es einen Ruck. Woher kannte ihn der Velohändler? Wieso kam Graf dazu, ihn bei seinem Titel anzureden? Er habe, erklärte der Mann, eigentlich die ganze Nacht auf den Wachtmeister gewartet, aber als es zwei geschlagen habe, sei ihm das Warten zu dumm geworden und er sei schlafen gegangen.
    Und jetzt habe man ja auch noch Zeit… »Komm mit!« sagte der Mann und duzte Studer ganz ungeniert. Nun war das Duzen dem Fahnderwachtmeister ziemlich gleichgültig – im Bernbiet war es eine alte Sitte auf dem Lande… Aber in der Hütte Kaffee trinken? Auf dem schmutzigen Tisch? Womöglich aus ungewaschenen Tassen? Studer hatte Lust, sich zu bedanken, um sein Sonntagsgewand zu schonen und nebenbei auch seinen Magen; gerade wollte er ablehnen, als die Falle am Hoftor mit lautem Geklick in die Höhe schnellte, die Türe aufging und…
    … auf der Schwelle stand ›Fräulein‹ Martha Loppacher – und das ›Fräulein‹ dachte sich der Wachtmeister wirklich in Anführungszeichen. Sie hatte sich am gestrigen Abend reichlich überspannt benommen, die Hände gerungen, geschluchzt und geschrien, daß es allen zuviel geworden war und sich Frau Studer entschlossen hatte, das ›Fräulein‹ mit Gewalt ins Haus zu führen.
    Nun stand sie auf der Schwelle des Hoftores in einem ärmellosen Rock, der ziemlich kurz war. Die Fingernägel rot bemalt, die Augenbrauen ausrasiert und mit dem Stift nachgezogen, die Lippen genau so rot wie die Fingernägel. Der kleine Morgenwind, der so freundlich das stinkige Zimmer gelüftet und diese nützliche Beschäftigung bis jetzt weiter betrieben hatte, ergriff die Flucht: er fürchtete sich offenbar vor der dicken Puderschicht, die Fräulein Loppachers Wangen bedeckte…
    Tränen? Traurigkeit?… Keine Spur! Lächelnd trat Martha näher, und sie sprach ein Schriftdeutsch, das sie für vornehm hielt.
    »Auch schon auf? Guten Morgen, Herr Studer; wie geht es Ihrer lieben Frau? Sie hat sich so mütterlich meiner angenommen, daß ich ihr ewig, ewig Dankbarkeit schuldig bin. Guten Morgen, Herr Graf.« Sie reichte dem schwarzen Mann (denn die Waschung hatte nur wenig genützt – das Gesicht war und blieb schwarz) gnädig die Hand.
    Der Velohändler nahm die dargebotenen vier Finger in seine Pratze und drückte, drückte, bis das Fräulein einen hohen Göiß ausstieß.
    »Du Suumage!« sagte das Fräulein. »Wotsch losla!«
    Studer nickte. Er war im Bild.
    Und er sperrte sich nicht länger, als der Velohändler seine Einladung wiederholte. Er schritt voran, führte seine Gäste aber nicht in sein
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