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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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seiner Freundin. Martha Loppacher blätterte die Umschläge durch, zuckte mit den Achseln: »Sie sind ja leer!« und gab sie Studer zurück.
    Der Wachtmeister war nicht einmal wütend. ›Du, Ernstli!‹ dachte er, ›wirst zur Strafe ein wenig im Chäfi hocken müssen.‹ Und er steckte wortlos das Päckli wieder in die Tasche.
    Es war nicht mehr viel zu holen beim Velohändler Graf… Schließlich, dachte der Wachtmeister, war er nicht gekommen, um das Beisammensein zweier Verliebter zu stören…
    Der Graf hielt das Färli auf den Knien, exakt wie einen Säugling, und ließ es aus einer Flasche saugen. Um sich einen unauffälligen Abgang zu sichern, stellte Wachtmeister Studer eine Frage:
    »Habt Ihr das Säuli gekauft?«
    Die Antwort erstaunte ihn. Der Velohändler erklärte, alle Tiere, die in seinem Stall ständen, seien ihm geschenkt worden. Als Jungtiere habe er sie von den Bauern der Umgegend erhalten, halb krepiert, aber bei ihm seien sie wieder gesund geworden. Er habe sie zu sich ins Bett genommen…
    »Er ist ein heiliger Antonius!« sagte das bemalte Fräulein. Studer blickte sie böse an und verlangte dann, sie solle die Heiligen nicht verwechseln. Soviel er wisse, sei es der heilige Franziskus gewesen, der die Tiere liebgehabt habe…
    Schweigen. Das Färli seufzte tief, wie ein gesättigtes Kindlein. Grofe-n-Ernst ließ es springen. Aber es blieb neben ihm stehen, aufrecht, und legte seine Vorderpfoten auf die Schenkel des Mannes.
    »Wiederluege!« sagte der Wachtmeister. Der Hund begleitete ihn bis zum Hoftor, still, fast traurig, so, als fühle er, daß seinem Herrn Gefahr drohe. Studer streichelte den spitzen Kopf, sagte: »Ja, ja, Bäärli!« Aber nur müde wedelte der Hund mit seinem buschigen Schweif.
    Als der Wachtmeister über die kleine Wiese ging, die das Hotel von dem Hause des Velohändlers trennte, fielen ihm zwei Dinge auf:
    Auf der Straße stand ein niedriges, rotgestrichenes Rennauto… Und aus den offenen Fenstern des Speisesaales tönte Klavierspiel.
    Er zog seine Uhr: es war sechs Uhr morgens.
     
    Die Saaltochter wischte die Steinstiegen, die zum Eingangstor des Hotels führten, mit einem feuchten Feglumpen. Studer fragte, ob seine Frau schon aufgestanden sei. Kopfschütteln, schweigsames Kopfschütteln… Und die anderen von der Hochzeitsgesellschaft? – Wieder das Kopfschütteln. – Aber ein Gast sei schon gekommen?… Nicken.
    Genau wie sein Schwiegersohn, genau wie der Stallknecht Küng!… Hatte die Saaltochter auch einen vernähten Mund? Ungeduldig fragte der Wachtmeister, wer denn der frühe Gast sei…
    »Ein St. Galler… Ein Freund vom Verstorbenen«, sagte die Saaltochter und klatschte dem Wachtmeister den nassen Feglumpen gegen die Hosenbeine. Der neue schwarze Anzug! – Ob sie nicht aufpassen könne?… Schweigen. Studer mußte lächeln. Er fragte und bediente sich der italienischen Sprache, warum das Fräulein (»perchè la signorina«) auf ihn böse sei.
    Und es ging, wie es immer geht, wenn man es versteht, die Menschen zu nehmen. Die Saaltochter, eine schwarzhaarige robuste Person, reckte sich, wurde rot… Studer erfuhr, die Signorina heiße Ottilla Buffatto, Otti nenne man sie hier, und es tue ihr leid, o so leid, daß sie… Den Satz beendete sie nicht, sondern sprang fort, kam mit einem sauberen Lumpen und einem Becken Wasser zurück und begann die Hosen des Wachtmeisters abzureiben. Während dieser Beschäftigung lief das Gespräch weiter.
    Ja, die Wirtin! Sie sei eine tapfere Frau (»una donna valorosa«) trotz dem Unglück, das sie getroffen habe… Immer auf dem Posten, von morgens früh bis spät in die Nacht… Jetzt zum Beispiel sei sie schon im Speisesaal und leiste dem frühen Gast Gesellschaft… – Dem Klavierspieler? –»Già.« Allerdings! – Und wer denn der Klavierspieler sei?
    Otti, die Saaltochter, bedauerte unendlich, doch sie wisse es nicht. Der Herr sei noch nie hier gewesen.
    Die Hosen waren wieder sauber. »Grazie!« sagte Studer. Im Speisesaal schwieg das Klavier. Aber nur kurz. Dann dröhnte in den Frühlingsmorgen hinaus ein Trauermarsch. Der frühe Gast spielte wohl für den Toten, der unten im Vorkeller auf das Erscheinen der Behörden wartete…
    Sie war schier mit den Händen zu greifen, die Spannung, die im leeren Speisesaal herrschte. Das Ibach Anni (Studer konnte sich nicht entschließen, seinen ehemaligen Schulschatz ›Rechsteiner‹ zu nennen) stand neben dem Klavierspieler und redete auf ihn ein. Ja, fast sah es so
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