Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
aus, als spiele der Mann nur dann Klavier, um ein Belauschen des Gespräches unmöglich zu machen…
    Die beiden stritten sich! Kein Zweifel. Sie stritten sich mit leiser Stimme, und die Wirtin des Hotels ›zum Hirschen‹ hatte die Hände geballt. Sie fuchtelte mit den Fäusten in der Luft.
    Studer versuchte, sich leise zu nähern. Vergebliche Mühe! Der ganze Speisesaal mußte durchquert werden, und nicht nur die Latten des Parkettfußbodens knarrten, sondern auch des Wachtmeisters Stiefel. Und gleich beim ersten Knarren fuhr das Anni herum, stupfte den Spieler mit der Faust… Der Trauermarsch brach ab, der Sitz des Hockerli drehte sich und der Mann stand langsam auf…
    Aus seinem hellen, graublauen Kittel wehte ein langes, zart-cremefarbenes Poschettli und am kleinen Finger der Rechten blitzte ein erbsgroßer Diamant. Eine fliehende Stirn mit spärlichen schwarzen Haaren, ein glattes Gesicht mit Wulstlippen über einem Doppelkinn – und zartgelb, wie das Poschettli, waren Hemd und Krawatte.
    »Krock.« – »Studer.« – »Sehr erfreut.« – »Gleichfalls.«
    Es klang wie eine Kriegserklärung, und vielleicht war es auch eine… Herr Krock hatte dicke Lider und benutzte sie, um seine Augen darunter zu verstecken.
    »Sie sind der Polizist, der die ersten Feststellungen gemacht hat?«
    Studer beantwortete die Frage gar nicht, sondern verlangte sein Frühstück.
    »Anni«, sagte er, »i hätt gärn es Chacheli Gaffee…« Das Anni nickte majestätisch.
    »Otti!« rief es. Die Saaltochter erschien unter der Tür und die Wirtin gab die Bestellung weiter…
    Also wollte sie den Wachtmeister nicht mit dem Fremden allein lassen!…
    Gut. Mira. Der Wachtmeister nahm die Herausforderung an.
    »Sind Sie extra so früh von St. Gallen fortgefahren, um mir bei der Aufklärung des Mordes zu helfen, Herr Krock?« fragte er, setzte sich unaufgefordert an einen Tisch in der Nähe des Klaviers.
    »Man hat mir gestern telephoniert, daß hier ein Unglück geschehen ist…« Herr Joachim Krock setzte sich dem Wachtmeister gegenüber. Er sprach ein ganz reines Schriftdeutsch. Anni lehnte sich ans Klavier.
    »Man?« fragte Studer.
    »Mein Bürofräulein, wenn es Sie interessiert… Um Mitternacht…«
    »Sie haben tüchtige Angestellte.« – »Ja.«
    Schweigen. Eine Wespe setzte sich auf den Rand der Konfitürenschale, Herr Krock vertrieb sie aufgeregt mit seiner Serviette. Dann räusperte er sich und meinte:
    »Glauben Sie nicht, daß Sie eine zu schwere Verantwortung auf sich genommen haben? Sie sind in einem fremden Kanton. Die hiesige Behörde wird Ihre Selbständigkeit nicht gutheißen!«
    Herr Krock sprach durch die Nase, er saß da mit gewölbten Schultern, die Fäuste rechts und links von seinem Teller aufgepflanzt.
    »Wenn es so ist, werde ich es selbst tragen müssen«, sagte Studer trocken, und auch er sprach schriftdeutsch. »Haben Sie den weiten Weg von St. Gallen bis hierher gemacht, um mir das zu sagen?«
    »Nein. Ich habe nur nach einigen Briefen gefahndet, die mein Sekretär mitgenommen hat.«
    »Die hier?« fragte Studer, zog die Briefumschläge, die er bei dem Toten gefunden hatte, aus der Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch. Dazu machte er ein einfältiges Gesicht.
    »Erlauben Sie«, sagte Herr Joachim Krock und wollte das Päckli aufnehmen. Aber er war nicht schnell genug. Eine Frauenhand schoß zwischen den Gesichtern der Männer auf den Tisch hinab und packte die Enveloppen.
    »Sie sind leer!« sagte die Wirtin enttäuscht.
    »Leer?« wiederholte Herr Krock. Studer nickte. – Er habe sie so gefunden, meinte er, und das Anni möge so gut sein und ihm das Päckli wieder umegäh…
    Es fiel gerade auf die Butter. Der Wachtmeister hob es auf, sein Gesicht blieb ruhig. Nur die unterste Enveloppe war ein wenig fettig. Das schadete nicht viel.
    »Aber Anni!« sagte Studer.
    Warum interessierte sich die Wirtin für die Briefe, die einer ihrer Kurgäste an einen unbekannten Menschen geschrieben hatte?
    »Haben Sie Martha Loppacher nirgends gesehen?« fragte Herr Krock. »Ihr Zimmer war leer und Frau Rechsteiner hat mir mitgeteilt, daß Fräulein Loppacher immer früh aufstehe…«
    »Wowoll«, sagte Studer mit vollem Mund. Und fügte bei, die Weggli seien gut, ganz frisch. Ah! Und da komme ja auch schon der Gaffee!
    – Ob sich Herr Studer schon eine Ansicht über den Fall gebildet habe? wollte Krock wissen. – Ansicht? Der Wachtmeister nahm einen Schluck aus der Tasse, wischte sich umständlich den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher