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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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den Morgen, der frisch war und angefüllt mit dem überlauten Gesang der Vögel. Nach sechs Schritten schon waren seine Schuhe naß. Es lag viel Tau auf den kurzen Gräsern…
    Unter dem Schild »Ernst Graf, Velohändler« befand sich eine Tür, die Flügel mit roter Farbe gestrichen… Es war ein unangenehmes Rot, das an geronnenes Blut erinnerte. Ein senkrechter, festgeschraubter Griff und darüber ein bewegliches Eisenplättli. Studer drückte es mit dem Daumen herab, während seine Hand den Griff gepackt hielt – die Tür war nicht verriegelt und ging auf.
    Das Innere des Hofes war ein getreues Abbild der äußeren Umgebung des Hauses: altes Eisen lag umher. Irgendwo grunzte ein Schwein, Ziegen meckerten, ein Schaf bähte. Aber dies friedliche Konzert wurde übertönt von einem lauten Bellen, das wütend anschwoll, leiser wurde, weil das Tier entweder heiser geworden war oder ein Halsband es würgte. Der Tür gegenüber stand eine Hütte, an die, doch niederer als sie, ein Stall angebaut worden war. Aus diesem drang der Morgenchor der Tiere und das heisere Bellen. Studer schritt auf das Haus zu, klopfte kurz an und stieß die Türe auf. Auch sie war unverschlossen.
    Aber er trat nicht gleich ein, denn die Luft, die ihm entgegenschlug, war zum Schneiden dick: Tabakrauch, Schweiß, Tiergeruch…
    »He! Graf! Syt-r uuf?« Schweigen. Studer lauschte und wurde ganz leicht von einer Angst angerührt: als stimme etwas nicht, auch hier. Aber dann beruhigte ihn wieder ein tiefes, regelmäßiges Schnarchen. Der Velohändler mußte einen tiefen Schlaf haben, und wenn das Sprichwort vom guten Gewissen, das ein sanftes Ruhekissen ist, nicht log, dann hatte Ernst Graf sicher nichts mit dem Morde zu tun.
    Ein kleiner Morgenwind streichelte Studers Rücken, schlich in die Kammer, tanzte dort umher, wirbelte wieder ins Freie. Und der Wachtmeister war dem Winde dankbar, daß er die verpestete Luft vertrieb…
    Ein schmieriger Tisch inmitten der Stube… Darüber an einem schwarzen Draht eine Glühbirne ohne Schirm. Der Schaft in der Ecke dort stand schief. Ein Kalender an der Wand – der einzige Wandschmuck – mit einem Helgen inmitten der Monatsreihen. Spinnweben – in den Ecken, um die Lampe am Draht… Ein rostiger Herd und darauf ein Spritapparat… Aber wo lag der Mann?
    Studer schob die Türe zu, und hinter ihr entdeckte er ein schmieriges Deckenbündel, aus dem das Schnarchen drang. Er trat näher, beugte sich nieder – der Mann hatte sich bis über den Kopf zugedeckt. Nun rüttelte ihn der Wachtmeister. Das Schnarchen hörte auf, Studer rüttelte stärker, und plötzlich flogen die Decken beiseite. Aber nicht den Mann sah der Wachtmeister zuerst, sondern ein winziges Säuli, rosafarben und sauber, blickte zu ihm auf, blinzelte ins Licht und schrie dann hoch und durchdringend. Nun erst erblickte Studer den Mann.
    Er war fast schwarz im Gesicht, und an dieser Farbe waren sowohl die Bartstoppeln als auch der Schmutz schuld. Der Mann hatte sich nicht ausgezogen, er trug ein blaues Mechanikergewand, den Kittel über der Brust geöffnet, so daß darunter ein Hemd sichtbar wurde, das sicher einmal, aber vor langen Zeiten, blau gewesen war.
    »Hä?« machte der Mann, ballte die Fäuste und rieb sich die Augen. »Hä?« fragte er noch einmal, sah sich in der Küche um, rief laut und krächzend: »Ideli!« Da trabte das Färli herbei, folgsam wie ein Hund, der auf seinen Namen hört, und legte sich, friedlich seufzend, auf die Decken. Und der Mann streichelte das Tier.
    Graf tat, als sei er überhaupt allein im Raum. Er stand auf und kratzte sich ausgiebig. Des Mannes Haare waren schwarz, mit einem Stich ins Bläuliche, und wuchsen so weit in die Stirn, daß sie fast die Brauen erreichten. Die Stoppeln bedeckten die Wangen schier bis zur Nase und aus dem Kinn stachen sie auch…
    Bloßfüßig tappte der Velohändler durchs Zimmer und schien etwas zu suchen, öffnete den Schaft, kramte darin herum – übrigens war das Innere wohlgeordnet, und saubere Wäsche lag, sorgfältig übereinandergeschichtet, auf den Gestellen. Endlich hatte er gefunden, was er suchte. Er hielt in der Rechten einen winzigen runden Taschenspiegel und betrachtete sich eingehend darin. Und Grimassen schnitt er dazu!
    Dann trabte er zur Tür hinaus, der Chor der Tiere schwoll an, und Studer sah ein merkwürdiges Schauspiel.
    Ein Schaf kam heran und rieb seine Schnauze an den Hosenbeinen des Mannes. »Salü Müüsli!« sagte Graf. Und er erkundigte sich, ob
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