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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co.
Autoren: Friedrich Glauser
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gesprungen…
    Studer sah den Hund deutlich vor sich: Eine Art Spitz, kein reinrassiges Tier, mit einem grauen Fell; dicht standen die starren Haare.
    Velohändler? – Die Waffe war die Speiche eines Fahrrades! Und dieser Velohändler hatte auch noch einen Hund?… Halt! Ein Hundehaar und eine Speiche waren noch keine Beweise?… Nein! Es gehörte noch mehr dazu…
    Vor allem mußte man diesen Graf Ernst kennenlernen. Was hatte der Küng behauptet? Der Mann sei ein… ein… richtig! »En suubere Feger.« Darunter stellte sich Wachtmeister Studer einen Dorfgückel vor, einen hübschen, nicht sehr gescheiten Burschen, der es verstand, den Frauenzimmern schön zu tun. Um so erstaunter war er, als er auf seine Frage nach dem Alter des Graf Ernst die Antwort erhielt, der Mann sei über fünfzig.
    »Über fünfzig?« wiederholte Studer erstaunt. Ob das nicht ein wenig alt sei für »en suubere Feger«? Da platzte das Mannli mit der roten Kartoffelnase los, es lachte und lachte. Dies Lachen aber machte den Wachtmeister wild, denn Studer verstand, daß man ihn verspotten wollte… Es war die Strafe dafür, daß er sich, als Berner Fahnder, in einem fremden Kanton mit einem Mordfall beschäftigte. Aber, weiß Gott, er hatte es ja nur getan, um dem Anni Ibach, dem Schulschatz aus vergangenen Zeiten, zu helfen!
    Dieser Küng Johannes war das erste spürbare Hindernis. Wäre es nicht gescheiter, den Schwiegersohn vorzuschicken? Der stammte aus der Nähe und kannte die Gebräuche besser, auch die Sprache… Nein! Gerade dem Schwiegersohn mußte man zeigen, daß man noch nicht zum alten Eisen gehörte, daß die ›Gäng-gäng‹, wie sie in der Ostschweiz die Berner nannten, keine Dubel waren…
    Die Hitze im Vorkeller war schier unerträglich. Fliegen summten um die Lampe, setzten sich auf das Gesicht des Toten, liefen über seine nackten Arme.
    Dem Wachtmeister war das Spiel plötzlich verleidet. Studer hätte keinen Grund für seine plötzliche Müdigkeit angeben können. Er hatte den Verleider! Basta! Morgen kam der Verhörrichter mit seinem Aktuar und dem Chef der Appenzeller Kantonspolizei. Mochten die Herren sich dann weiter um den Fall kümmern. Das einzig Langweilige an der Sache war, daß niemand das Hotel verlassen durfte und die Hochzeitsgesellschaft deshalb hier übernachten mußte… Ein teurer Ausflug würde das werden! Drei Kutscher, sechs Pferde… und die Hochzeitsgesellschaft: die Mutter des Albert, zwei Onkel, drei Tanten… Aus Bern waren nur die Eltern der jungen Frau mitgekommen. Studer nahm sich vor, mit der Mutter seines Schwiegersohnes die Kosten des Ausfluges zu teilen.
    Er warf noch einen Blick auf den Toten und jagte den Albert und den Küng zur Tür hinaus; dann verlangte er von der Wirtin ein Leintuch, um die Leiche zuzudecken. Lange, sehr lange starrte er in das Gesicht des Toten. »Gemein!« flüsterte er. »Gemeinheit… Das ist das richtige Wort!« Und bedeckte das Antlitz endlich…
    Dann löschte er endgültig das Licht, versperrte die Tür und begab sich in den ersten Stock. Seine Frau lag schon im Bett; darum trat er auf den Balkon hinaus, zündete eine Brissago an und blickte über das stille Land.
    Die Straße war ein langes weißes Band, das sich rechts und links in der Dunkelheit verlor. Ein Bach plätscherte… Die Juninacht roch nach gemähten Wiesen, Blumen und verzetteltem Mist. Noch ein anderer Geruch drängte sich auf, den Studer zuerst nicht kannte. Aber dann wußte er plötzlich, was es war: Es roch deutlich nach rostigem, altem Eisen, das die Sonne erhitzt hat und nun die tagsüber aufgespeicherte Wärme ausatmet. Der Wachtmeister beugte sich vor und sah rechts von der Wirtschaft, am Straßenrand, einen baufälligen Schuppen. Und nun – ein Wolkenvorhang zerriß plötzlich, der Mond, nicht größer als ein Zitronenschnitz, streute sein Licht über die Landschaft – war rund um den Schuppen ein Gewirr zu sehen: Alte Räder, viel Draht, rostige Faßreifen… Auf der Schuppenwand aber schimmerte ein weißes Schild, auf dem mit dunklen Buchstaben stand:
    Ernst Graf, Velohändler
    Soso! »De Grofe-n-Ernst« – wohnte gerade neben dem Hotel ›zum Hirschen‹.
    Im Schlafzimmer meinte eine verschlafene Stimme, der Vater solle doch ins Bett kommen. Morgen sei auch noch ein Tag. Da warf Wachtmeister Studer von der Berner Kantonspolizei seufzend die nur halb gerauchte Brissago fort, so daß sie auf der Straße unten wie ein mißratenes Feuerwerk ein paar Funken von sich gab.
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