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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Autoren: Karlheinz Deschner
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Theudebert II. von Austrien, spielte sie die politisch ausschlaggebende Rolle, wurde eher noch bedeutender.
    Auf der Gegenseite, in Neustrien, wo der erst drei Monate alte Chlotar II. (584–629) seinem Vater Chilperich gefolgt war, bekam spätestens seit Beginn der neunziger Jahre seine Mutter Fredegunde maßgebliche Bedeutung. Die Intimfeindschaft beider Königinnen tobte sich jetzt, nach Guntrams Tod, hemmungslos aus, wobei alle Chancen bei Brunichild und Childebert II. lagen. Sie hielten fast das ganze Frankenreich, ausgenommen einen schmalen Küstenstreifen nordwestlich von Paris, in ihren Händen. Zwar gewann Fredegunde in raschem Angriff noch Paris und andere Städte des Westens, starb aber schon 596 oder im Jahr darauf. 5
    Der stets mächtigeren Brunichild, die auch persönlich der Kirche ergeben, Verehrerin des hl. Martin, Förderin seines Kultes, überhaupt eine Stifterin von Gotteshäusern und Wohltäterin der Catholica war, hingen natürlich viele Bischöfe an, darunter der Mainzer Sigimund und sein Nachfolger Leudegasius. Auch Gregor I. machte ihr den Hof. Und seine sehr rege Post an die anrüchig-skrupellose Königin ist ganz von jener schleimigen Lobhudelei geprägt, die er auch gegenüber dem kaiserlichen Bluthund Phokas praktiziert. Dabei spricht alles dafür, daß der Papst die Methoden dieser »entsetzlichen Frau« (Nitzsch) durchaus kannte: eine Mächtige, die oft genug über Leichen ging, »ein wildes, politisches Tier, das zu allem bereit war, um die Macht zu behalten« (Richards).
    Desungeachtet ignoriert der Heilige Vater in seinen Briefen Brunichilds gräßlichen Familienzwist völlig. Er sieht sie, ihren Sohn, ihr Reich, alle übrigen Reiche durch den rechten Glauben überragen »gleich einer strahlenden Leuchte in nächtlicher Finsternis des Unglaubens funkelnd und glänzend«. Er dankt ihr wiederholt für die Unterstützung seiner englischen Missionare auf deren Reise durch das Frankenreich. Er rühmt ihre »Liebe zum Apostelfürsten Petrus, dem Ihr, wie ich weiß, von ganzem Herzen anhanget«. Er erbittet, oft vergeblich freilich, ihre Hilfe gegen Simonisten, schismatische Gruppen, heidnische Kulte. Gregor ermahnt Brunichild, durch Zwangsmittel die Anbetung heiliger Bäume sowie andere Götzendienste zu verhindern, und befiehlt zur Bekehrung widerspenstiger Heiden die Anwendung von Prügel, Folter und Kerker. (Als aber Johannes der Faster von Konstantinopel [S. 161 ff.] einen orthodoxen Mönch wegen »Ketzerei« verurteilen und mit Ruten bearbeiten ließ, trat Gregor 595/596 energisch für den Geprügelten ein.)
    Natürlich schickte der Papst der Königin auch Reliquien. Ja, wie er schon auf Wunsch ihres Sohnes Childebert den Bischof von Arles zum Apostolischen Vikar ernannt hatte, so verlieh er, wiewohl widerstrebend, auch ihrem Günstling und Berater Syagrius von Autun das Pallium, und zwar ohne daß man eine entsprechende Tradition oder einen Präzedenzfall kannte; ohne daß der Prälat selbst es auch nur für nötig erachtet hätte, den Papst persönlich darum zu bitten; ja, obwohl der Bischof im Verdacht stand, die Schismatiker zu unterstützen, und sogar einen Schismatiker zu seiner Vertretung nach Rom beordert hatte. (Syagrius wurde gleichwohl Heiliger; Fest: 27. August.)
    Autun war überdies kein metropolitanischer Stuhl. Syagrius' Metropolit und damit Vorgesetzter war Bischof Aetherius von Lugdunum. Doch als der vom Papst das Pallium erbat, lehnte Gregor es ab, weil es keinen Präzedenzfall gebe. Offenbar wollte er das Pallium nur an besondere Protegés der Krone verleihen. Denn auch als es Childebert 595 für den Erzbischof Vergilius von Arles begehrte, erfüllte der Papst prompt das königliche Verlangen. Dagegen dachte er nicht daran, den gebildeten Bischof Desiderius von Vienne (S. 204), der gleichfalls um das Pallium ersuchte, damit auszuzeichnen. Desiderius gehörte zwar, was dem Papst sympathisch sein mußte, einem Reformflügel der fränkischen Kirche an, gerade deshalb aber schätzte man ihn nicht bei Hof. Desiderius war persona non grata bei der Königin, die ihn 602 oder 603 durch das Konzil von Chalon-sur-Saône wegen Unzucht amtsentheben, auf ein Inselkloster verbannen und nach seiner Rückkehr am 23. Mai 607 steinigen ließ.
    Papst Gregor nahm auch das in Autun von Brunichild und Bischof Syagrius gegründete Kloster St-Martin unter seinen ausdrücklichen Schutz (1099 haben dessen Mönche den Abt Hugo vergiftet). Auch das Xenodochium wurde von der frommen Königin
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