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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Autoren: Karlheinz Deschner
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Vorgänger Pelagius hatte so gegen die »törichte und anmaßende« Bezeichnung des Patriarchen protestiert. Gregor fand den Titelstreit eigentlich »armselig«, behauptete aber, gegen die Arroganz des Patriarchen nicht seine Sache zu verteidigen, sondern die Gottes. Auch nannte er sich selber, nach einem augustinischen, dann in den Papsturkunden beibehaltenen Wort, demütig »Knecht der Knechte Gottes« (servus servorum Dei), schrieb jedoch auch: »Ich bin aller Bischöfe Knecht, sofern sie bischöflich leben. Wer aber aus Sucht nach eitlem Ruhm und wider die Satzung der Väter seinen Nacken erhebt, der wird, so hoffe ich zu Gott, mir den Nacken selbst nicht mit dem Schwert beugen.« »Er kämpfte in Demuth um die Weltherrschaft der Kirche und in der Kirche«, formuliert Ludo Moritz Hartmann, »ebenso wie sein Rivale, der asketische Patriarch Johannes der ›Faster‹.«
    Sie streiten gern. Auch Gregor stritt gern. Und in Demut.
    Schon in einer fanatischen Pfaffenkontroverse (582) mit dem Vorgänger des Johannes, Eutychius, der lehrte, bei der »Auferstehung« würden die Körper stofflos werden, hatte Gregor dies bestritten und erreicht, daß der Kaiser das Buch des Patriarchen verbrennen ließ. (Beide Kampfhähne waren danach derart erschöpft, daß Gregor schwer erkrankte, Eutychius starb.) Und der Titelstreit setzte sich noch unter dem Nachfolger des Johannes fort, die Entfremdung zwischen beiden Kirchen, das Auseinanderdriften von Byzanz und dem Westen. Bereits ein Jahr nach Gregors Tod wirft ihm kein anderer als Nachfolger Papst Sabinianus »Sucht nach eigenem Ruhm« vor. 13
    Das hätte man gewiß schon vielen Päpsten attestieren können, den scheinbar demütigsten noch, etwa Gelasius I. (492–496). Wie Gregor sich nicht würdig fühlte, so versäumte auch Gelasius nicht die Versicherung seiner völligen Unwürdigkeit. Und wie Gregor sich »Knecht der Knechte Gottes« nannte, so beteuerte Gelasius, »der Geringste aller Menschen« zu sein (sum omnium hominum minimus), und forcierte doch wie kein Papst vor ihm seinen Rang und Vorrang, und zwar gegenüber allen anderen Priestern nicht nur, sondern, in seiner sogenannten Zwei-Gewalten-Lehre, auch gegenüber dem Kaiser, der vor ihm »fromm den Nacken« zu beugen habe (II 324 ff.).
    O diese Demütigen!
    Patriarch Johannes IV. freilich nahm die Sache, wie es scheint, gelassen. Er reagierte mitunter nicht oder schrieb an Gregor, wie dieser selbst fand, äußerst freundlich und vernünftig. Doch den Titel, den »verderbten«, den »hochmütigen« Titel, das »pestartige Wort«, wie Gregor donnerte, nahm jener gelegentlich weiter in Anspruch; er kehrte auch in den Akten der Kirche von Konstantinopel immer wieder, was den Papst besonders reizte. Er zog alle Register. Er schrieb stets von neuem, erging sich in unbestimmten Drohungen. Er befahl seinem Apokrisiar (der offenbar in dem von Gregor so hochgespielten Titelstreit eine andere Auffassung vertrat), sich der Kirchengemeinschaft mit Johannes zu enthalten. Er beschuldigte ihn, seinen Nachfolger Papst Sabinian, den Kaiser, der Gregor brieflich zur Zurückhaltung, zum Frieden drängte, falsch zu informieren, doch fürchte er nichts, posaunte er pathetisch, »außer dem allmächtigen Gott«.
    Der Papst erhitzte sich immer mehr. Er wandte sich an den Patriarchen Eulogius von Alexandria, der indes den Zorn des Römers so wenig verstand wie der gleichfalls von ihm behelligte Patriarch Anastasius von Antiochien, der ihn vor Hochmut, vor Neid warnte, so daß Gregor sein Brief »stechend wie eine Biene« erschien. Auch der General Narses suchte ihn zu beruhigen. Doch Gregor drohte, verdammte, erging sich in Hohn. Er kanzelte den im Grunde so friedfertigen Johannes ab, beschimpfte ihn als Nachahmer Luzifers, den Vorboten des Antichrist. In apokalyptischen Tönen beschwor er das Wüten der Pest und des Schwertes, »Volk erhebt sich gegen Volk, der ganze Erdkreis ist erschüttert«. Ganze Städte sah der Papst vom Erdboden verschlungen, sah wieder einmal die Prophezeiung der Endzeit erfüllt. Und alles nur wegen eines schon an die hundert Jahre üblichen Titels, alles nur weil er ehr-, eifer-, herrschsüchtig, weil er gierig auf den Vorrang war, den Primat, den er bedroht sah, ganz unnötigerweise, was die Ironie der Sache noch erhöht.
    Dabei belehrte er den Patriarchen ausgerechnet über die Demut. Er bezichtigte ihn der »Eitelkeit«, »Torheit«, warf ihm den steifen Nacken des Hochmuts vor, die Störung des Friedens der
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