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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete
Autoren: Roland Spranger
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Schon
während des Trinkens weiterdenken.
    Warum
hat sich Maik dieses Video angeschaut? Was hat eine Party in einem
ISAF-Camp mit drei ermordeten jungen Frauen in Deutschland zu tun?
Mit Timo Fuchs, Alexander Pöhlmann und Sven Kunz? Wenn man
wusste, dass sie alle ein paar Wochen später tot waren, sah das
Video aus wie die verdammte Zombie-Apokalypse. Lebende Tote. Lachende
lebende Tote. Sie waren nur einen Schritt voraus. Wie war eigentlich
Timo gestorben? Daniel konnte sich nicht erinnern. Als wäre in
seinem Hirn eine Netzsperre vor den dazugehörigen Bildern
errichtet worden.
    Weiter
verriet die History, dass sich Maik noch einmal die toten Frauen
angesehen hatte. Auf ihrer Facebook-Seite lachte Kirsten immer noch.
Svenja spielte in einer Damen-Fußballmannschaft. Anna sang für
alle Zeiten auf YouTube einen Song. The Ship Song von Nick
Cave.
    Come
sail your ships around me
    And
burn your bridges down.
    We
make a little history baby
    Every
time you come around.
    Schon
wieder Geschichte. Im Internet war das ganze Leben dieser toten
Menschen abgebildet. Zusammenhanglos ermordet in Deutschland und in
Afghanistan. Tausende Kilometer lagen zwischen den Orten ihrer
gewaltsamen Tode. Im globalen Dorf lebten sie noch nebeneinander.
Wahrscheinlich konnte man Reste ihrer Gefühle noch nach
Jahrtausenden im Netz finden. Oder einem seiner Nachfolger.
    Im
weiteren Verlauf seiner Internet-Recherche hatte sich Maik auf Timo,
Kunz und Pöhlmann konzentriert. Alle drei hatten einen
Facebook-Account. Wie im richtigen Leben waren sie auch digital nicht
miteinander befreundet. Sie hatten nicht einmal gemeinsame Freunde
bei Facebook. Normalerweise ließ sich ein Profil ohne
gemeinsamen Freund nur schwer finden.
    Jemand
hatte für Sven Kunz einen virtuellen Grabstein errichtet. Darauf
Pixel-Blumen gepflanzt, Kerzen angezündet und einen Engelschor
hinzugefügt. Videobotschaften seiner Familie und seiner Freunde.
Eine blonde, sehr junge Frau spricht in eine Kamera: »Ich weiß,
dass eine so tiefe, innige Liebe nicht mal der Tod trennen kann. Ich
weiß, du wartest auf mich, wenn meine Zeit auf Erden abgelaufen
ist. Trotzdem fehlst du mir unendlich … Ich liebe dich, mein
Herz!«
    Eine
Mischung aus Kajal und Tränen malte eine Narbe auf ihre
Wange.
Gerade als die Videobotschaft des Vaters startete,
quietschte das Handy sein Gummientensignal in den Raum. Daniel
klickte auf den Pause-Button unter dem Video-Fenster. Das Gesicht des
Vaters fror auf dem Monitor ein. So streng, als wäre es in den
Bildschirm gemeißelt. Daniel starrte es erstaunt an. Er blickte
einem Mann in die Augen, der sich zu sehr unter Kontrolle hatte.
Etwas stieg in Daniel hoch, etwas Verstecktes, das noch hinter der
Angst gelauert hatte.
    Ungeduldig
meldete sich die Gummiente erneut. Daniel nahm den Anruf an.
    »Ich
weiß, wer du bist, Arschloch«, sagte er.
    »Um
so besser«, antwortete die verzerrte Stimme aus dem Telefon.
»Du sollst ja wissen, warum Menschen sterben. Sie sterben wegen
dir.«
    »Du
bringst sie um.«
    »Na,
wenn schon?«
    »Lea
kann nichts dafür.«
    »Willst
du deine Tochter wiedersehen?«
    »Ja.«
    »Dann
sag mir, dass du schuld bist.«
    »Ich
bin schuld. Das hätte ich auch zugegeben, wenn du mich einfach
gefragt hättest. Ohne die ganzen Toten.«
    »Sie
haben es alle verdient. Du folgst meinen Anweisungen besser genau,
wenn du deine Tochter noch einmal sehen willst. Aber komm allein. Und
komm sofort. Ohne Umwege. Ruf niemanden an. Ich beobachte dich. Komm
allein. Du hast ja gesehen, was für üble Verletzungen so
ein NATO-Kampfmesser zufügt. Wäre doch schade um Leas
hübsches Gesicht. Wenn ich was Verdächtiges sehe oder höre,
verlängere ich ihre Mundwinkel bis zu den Ohren.«
    »Ich
fahre mit dem Rad. Da passt kein SWAT-Team drauf.«
    »Und
fang nicht an, den Helden zu spielen.«
    »Wir
müssen verhandeln.«
    »Du
bist in keiner guten Verhandlungsposition.«
    »Lea
kann nichts dafür.«
    »Ich
korrigiere: Du bist in überhaupt keiner Verhandlungsposition.«
    »Lass
sie frei.«
    »Ich
lass sie frei, wenn du tot vor mir im Dreck liegst.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.
Soldatenehrenwort.«
    »Ich
glaub dir nicht.«
    »Warum?«
    »Du
bist ein kranker Psychopath. Du bist kränker als ich.«
    »Daniel,
bleib ganz ruhig. Du wirst heute sterben. Danach lasse ich deine
Tochter frei. Oder nicht. Es wird dir nicht mehr wehtun. Komm. Du
hast keine Alternative. Es ist ein Tag zum Sterben.«
    »Wenn
du das sagst.«
    »Fahr
mit dem Fahrrad zum
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