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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete
Autoren: Roland Spranger
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Wertstoffhof am Silberberg. Dort bekommst du neue
Anweisungen. Ach ja: Du bist gut in Form. Du solltest nicht länger
als zwanzig Minuten brauchen.«
    Klick.
Die Verbindung war unterbrochen.
    Daniel
schaute sich das Handy an. Danach den Monitor. Immer noch das
eingefrorene Gesicht. Mit diesen Augen, die bereit waren.
    Daniel
ging in den Flur. Maiks Festnetztelefon war zertrümmert. Zum
ersten Mal hasste er sich dafür, nicht wie die normalen Menschen
ein eigenes Handy bei sich zu tragen, um ständig Kontakt mit der
restlichen Welt zu halten. Vom Notebook aus schickte Daniel eine
kurze Mail an Melanie, bevor er Maiks Wohnung verließ.
Hoffentlich würde sie die lesen. Die Mail hatte wirklich
Priorität.
    Daniel
trat kräftig in die Pedale. Er war wütend. Man konnte jeden
Tag sterben. Es gab für keine Stunde eine Garantie. Für
keine Minute. Keine Sekunde. Heute war ein Tag zum Kämpfen.

    ***

    Daniel
hielt mitten auf dem Wertstoffhof. Um ihn herum schleppten Menschen
große Styroporformteile, fleckige Sofas und
Röhrenfernsehapparate, die gegen einen Flachbildschirm
ausgetauscht worden waren. Der Wohlstandsmüll bekam ein
liebloses Begräbnis in bunten Containern. Sonst kam sicher
selten jemand mit dem Fahrrad und ohne Müll an diesen Ort, aber
bevor ihn einer der städtischen Arbeiter ansprechen konnte,
quakte das Handy.
    »Geh
in die Halle«, sagte der Anrufer. »Im Container für
die CD-Datenträgerabfälle liegt ein Handy. Leg das
Mobiltelefon, das du in der Hand hältst, hinein und nimm das
neue. Komm ohne Umschweife heraus.«
    Der
Entführer hatte sofort wieder aufgelegt. Daniel ging in die
Halle für die Technikabfälle. Tatsächlich lag ein
Handy zwischen Hunderten von CD-Rohlingen. Ein klobiges Modell aus
einem Zeitalter, in dem Mobiltelefone noch ausziehbare Antennen
hatten. Bewusst unattraktiv, damit keiner der Arbeiter oder Besucher
des Wertstoffhofs auf die Idee kam, das Telefon seinem Eigenbedarf
zuzuführen.
    Daniel
sah sich um. Der Feind konnte ihn in der Halle unmöglich sehen.
Er schaltete das Quietscheenten-Handy auf stumm und wählte die
Nummer des Notrufs. Dann steckte er das Handy samt seiner
bulgarischen SIM-Karte zu der zusammengerollten Kapuze im Kragen
seiner Outdoor-Jacke und schloss den Reißverschluss.
Anschließend fischte Daniel das unförmige Handy aus dem
Container mit den Datenträgerabfällen und ging nach draußen
zu seinem Fahrrad. Das neue Mobiltelefon vibrierte zuerst, dann
setzte lautstark ein Gitarrenriff ein. Daniel nahm das Gespräch
an. 
    » Highway
To Hell als Klingelton. Das nenne ich Humor.«
    »Dann
lach doch. Fahr auf dem Radweg zum Ein-Euro-Markt nach Köditz.«
    Daniel
fuhr auf dem Radweg ins Tal. Im Slalom wich er den tiefen Löchern
aus. Keiner hatte sich die Mühe gemacht, die Frostschäden
aus dem letzten Winter auszubessern. Oder aus den Wintern vorher.
    Der
Ein-Euro-Markt war zusammen mit einem Gartencenter der einzige
Anziehungspunkt des Köditzer Gewerbegebiets. Vor dem
Gartencenter dröhnten aus einem mit Orchideen bemalten Bus
schlecht ausgesteuerte Sommerhits. Daneben stand ein Bratwurstgrill.
Auf dem überdimensionierten Parkplatz des Ein-Euro-Markts
verloren sich ein Renault Kombi und ein verrosteter Opel zwischen
unzähligen freien Parkbuchten.
    Sofort
nachdem Daniel auf dem Parkplatz angekommen war, vibrierte das
unförmige Handy erneut. Daniel holte es hastig aus der Tasche
und zog die Antenne aus dem Gerät, aber die ersten Takte von Highway To Hell konnte er nicht verhindern.
    »Leer
deine Taschen aus!«, befahl die verzerrte Stimme des Anrufers.
    Während
Daniel mit der linken Hand das Handy ans Ohr hielt, zog er mit der
rechten die Taschen seiner Hose und seiner Outdoor-Jacke nach
draußen. Zuletzt die Tasche mit dem Schweizer Offiziersmesser.
Er drückte es mit dem Daumen an die Handfläche, während
er mit den restlichen Fingern den Stoff nach außen stülpte.
    »Gut
so?«, fragte Daniel, während er sich vorsichtig umsah.
Langsame Kopfdrehung, dafür die Augen umso schneller in
Bewegung. Er konnte nirgendwo jemanden mit einem Fernglas entdecken.
Oder ein Auto, das unmotiviert mitten in der Landschaft parkte. Oder
einen Zeitungsleser auf einer Bank.
    »Ja,
gut.«
    Daniel
ließ das Schweizer Offiziersmesser wieder in die Tasche
gleiten.
    »Geh
in den Laden. In einem der mittleren Gänge steht eine Gitterbox
mit dem Maskottchen der Fußball-WM in Südafrika. Dort
findest du ein Handy.«
    »Ich
hab auf den Handy-Scheiß langsam keinen Bock
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